Schulen, Firmen, Privatleben – wir digitalisieren. Immer mehr setzen wir auf digitale Helfer, die nicht nur unterhalten, sondern uns vor allem unseren Alltag leichter machen sollen. Auch der Sport entzieht sich der Digitalisierung nicht, dabei hatte Sport doch schon immer eine Ausrichtung, die dem eigentlichen Ziel der Digitalisierung entgegen steht. Während es bei der Arbeit darum geht, Belastungen so gering wie möglich zu halten, setzen wir uns beim Sport gezielt immer höheren Belastungen aus. Die Steuersoftware erspart uns mühseliges Ausfüllen komplizierter Fragebögen, Excel spuckt uns im Handumdrehen Graphen und statistische Berechnungen aus, die wir ansonsten ohne Mathestudium wohl nicht und schon gar nicht in der Zeit hinbekommen hätten. Beim Sport überlegen wir uns jedoch, wie wir erneut Hindernisse erzeugen können, die wir mit körperlichem Aufwand überwinden. Wenn wir uns fragen, welche Vorteile eine Digitalisierung im Sport bietet, sind wir also nicht auf der Suche nach Dingen, die den Sport einfacher machen, sondern nach Tools, die uns die Dokumentation, Planung, Umsetzung und Auswertung ermöglichen oder unter Umständen sogar die Effektivität unseres Trainings verbessern.
Das EMS-Training, bei dem durch elektrische Impulse die Muskeln zur Kontraktion angeregt werden, ist mittlerweile ein alter Hut. Dennoch boomen EMS-Zusatzangebote in Fitnessstudios weiterhin und sogar die Zahl ausschließlicher EMS-Studios scheint weiterhin zuzunehmen. Ganz nebenbei gibt es dann immer noch die Geräte, die – im Form eines Pads auf den Bauch geklebt- ein Sixpack auf der Couch versprechen. Mittlerweile sind diese Geräte sogar oft koppel- und steuerbar mit einer App. Doch erinnern Sie sich an den Beginn des Artikels? Im Sport setzen wir uns gezielt Hindernisse, um diese anschließend zu überwinden; machen wir das nicht, stellt sich auch kein Effekt ein. Das bedeutet für Sie so viel, dass alle Geräte, die Erfolge ohne Anstrengung versprechen, von vornherein Geldverschwendung sind. Das werden Sie spätestens merken, wenn Sie das erste mal ein richtiges EMS-Training absolvieren – das ist nämlich verdammt anstrengend. Falls Sie sich jetzt fragen, ob man dem Trend folgen und zukünftig nur noch nach dieser Methode trainieren sollte, können Sie und Ihr Geldbeutel beruhigt sein, denn bei all den Vorteilen der intensiveren Stimulation der Muskulatur, sind die motorischen und die Anforderungen an das Herz- Kreislaufsystem beim EMS-Training eher gering. Profitieren tun im Grunde genommen nur zwei Zielgruppen davon: Profisportler, die das System nutzen, um ihre Grenzen zu überwinden und diejenigen, die sonst keinen Sport machen würden. Da das EMS-Training stets betreut ist, trainiert diese Zielgruppe somit immerhin kurzfristig intensiv und richtig, anstelle sich nur halbherzig mit anderen „aufgetragenen“ Übungen zu beschäftigen.
Haben Sie schon einmal Fitness oder Sport im App-Store oder Play-Store eingegeben? Die Auswahl an verschiedenen Apps fürs Training ist riesig. Von verschiedensten fraglichen Challenges, Personal Coaches und Trackern bis hin zu ganzen Trainingskonzepten, wie z.B. Freeletics, finden Sie hier alles mögliche – ein ganz schöner Dschungel.
Besonders fraglich sind die verschiedenen Challenges, die sich im Store finden lassen. Die 100 Pushup Challenge ist so ein Beispiel. So einfach wie sie gehalten ist, lassen sich die Erfolge unkompliziert auf Social Media Plattformen teilen. Unter Umständen finden sich direkt Freunde, mit denen Sie sich in Konkurrenz stellen können. Als ansonsten ausbalancierter Sportler ist so eine Challenge wahrscheinlich gar kein Problem, als Newcomer im Sport erzeugen Sie so wohl nur eher unnötige Dysbalancen. Außerdem kann kaum jemand Ihre Fehler korrigieren.
Eine sinnvolle Auswahl an Personal Coaching Apps stellt der GamingClub Blog vor. Besonders interessant sind dabei vielleicht CoachYoo und Ahtlagon, die völlig verschiedene Ansätze verfolgen.
Hinter diesem mysteriös anmutenden Trailer verbirgt sich eine auf Gamification setzende App. Ähnlich wie in „Pokemon Go!“ oder „Harry Potter Wizards Unite“ setzt die App auf sogenannte POI, also in der Landschaft markierte Punkte, an denen bestimmte Aufgaben zu erledigen sind. Im Fall von CoachYoo sind das dann eben verschiedene Übungen, die das Lauftraining sinnvoll ergänzen. Dazu gibt es verschiedene Challenges, die über vielfältige Routen laufen. Neben der Information über Möglichkeiten, wird die Durchführung inklusive der Kraftübungen automatisch getrackt.
Eher an daheim Trainierende richtig sich Athlagon. Oftmals hat man bei Trainingsplänen aus dem Internet das Problem, dass man nie genau das findet, was man mit dem Equipment zuhause am besten machen kann. Auch sind diese meist nicht speziell auf einen selbst zugeschnitten. Auch, wenn Athlagon natürlich keine echte persönliche Betreuung ersetzen kann, bietet das Programm eine ganze Reihe verschiedener Tests, auf deren Basis das Training gesteuert wird.
Für alle Apps gilt aber, dass nur derjenige diese sinnvoll nutzen kann, der auch bereit ist, sich mit der Ausführung der Übungen sinnvoll auseinander zu setzen und sich immer wieder selbst zu korrigieren. Tipp: Filmen Sie sich regelmäßig selbst bei Übungen und machen Sie sich Gedanken darüber, wo Sie Ihre Ausführung noch verbessern können.
Wer nicht auf einen echten Trainer verzichten möchte, kann heute auch Apps nutzen, in denen Fitnessstudio und Kunde gemeinsamen Zugriff auf die Trainingspläne haben. eGym (iOS, Android) ist zum Beispiel dazu in der Lage. Die ursprünglich zur Verwaltung der elektronischen eGym Geräte entwickelte App bietet die Möglichkeit der sinnvollen elektronischen Kundenbetreuung im Fitnessstudio. Trainer können, sofern der Kunde einverstanden ist, Einblick in Aktivitäten, Trainingspläne und Kraftwerte der Trainierenden erhalten. Die Trainer App (iPad) bietet zudem eine ganze Reihe verschiedener Test – von der Körperfettmessung bis zum PWC-Ausdauertest.
Was aber fast alle Apps leider offen lassen: Hintergrundwissen zu dem „Warum“ zu vermitteln. Wir versprechen Ihnen: Sport fängt dann an, besonder viel Spaß zu machen, wenn Sie ihr eigenes Wissen gezielt einsetzen und Ihre Erfolge sich selbst zuschreiben können.
Zu guter Letzt soll noch kurz auf die modernden Fitness-Tracker eingegangen werden. Brauchen Sie so ein Gerät zur Unterstützung Ihres Trainings? Fakt ist: Die wenigsten Hobbyathleten trainieren in einem Bereich, in dem sie etwas Sinnvolles mit den Daten anfangen können. Abgesehen davon, dass die Messungen vor allem im niedrigen Preissegment oft ungenau sind, sollten Sie sich die Frage des Zweckes stellen. In erster Linie können Herstellern Verhaltensprofile geliefert werden, die auch für andere Märkte von Bedeutung sein können. Bei der Spannbreite an möglichen Optimierungen im Breitensportbereich ist es oftmals einfach unnötig, ein so großes Ausmaß an Daten zu erheben. Wenn Sie auf einen Tracker setzen und gerne Laufen gehen, sollte es eine richtige Laufuhr sein, die Ihre zurückgelegte Strecke auch per GPS messen kann. Als Kraftsportler macht so ein Tracker nur Sinn, wenn dieser in Zusammenarbeit mit einer Smartphone App auch die Wiederholungen zählen kann. Alles andere ist nicht mehr als eine Spielerei.
(114)
Wie viel Digitalisierung im Sport tut uns gut? Was brauchen wir und was nicht?