In den letzen Artikeln des Beweglichkeitsspecials haben wir uns recht intensiv mit der Theorie und vor allem mit der Anatomie und Physiologie auseinander gesetzt, die unsere Beweglichkeit beeinflusst. An dieser Stelle soll jetzt darauf zurückgegriffen und auf entsprechende Methoden zur Beweglichkeitssteigerung für verschiedene Zielgruppen eingegangen werden.
Statisches Dehnen ist die wohl simpelste Methode zum Steigern der Beweglichkeit. Dabei wird die Dehnung einfach über einen längeren Zeitraum gehalten. So sinkt der Muskeltonus und der Widerstand des Muskels sinkt, was zu einer temporär erhöhten Beweglichkeit führt. Aufgrund der „Gewöhnung“ der Propriorezeptoren, speziell der Muskelspindeln, kommt es ebenfalls dauerhaft zu einem größeren möglichen Gelenkausschlag. Auch auf die Faszien wirkt sich statisches Dehnen aus. Um die fasziale Beweglichkeit zu verbessern, ist allerdings eine deutlich längere, geringere Dehnspannung notwendig.
Um die passive Beweglichkeit unserer Muskulatur zu verbessern, sollte die Dehnung mind. 40 sekunden bei recht intensiver Spannung gehalten werden. Unsere Faszien reagieren mit einer Beweglichkeitsverbesserung, wenn wir eine geringe Spannung etwa 2 Minuten halten.
Zielgruppen
In Sportarten, in denen eine hohe Beweglichkeit notwendig ist, ist statisches Dehnen sehr wichtig. Auch vor dem Training, denn viele Bewegungen werden über so große Bewegungsradien ausgeführt, dass es zu hoher Muskeltonus oder ein zu früh einsetzender Dehnreflex zu Verletzungen führen kann. Der Umgang sollte aber vor dem Training maßvoll sein. Durch den sinkenden Muskeltonus reduziert sich die Schnellkraft und Reaktionsfähigkeit des Muskels. Das kann Gelenkverletzungen begünstigen und reduziert die Leistung.
Kurzes, statisches Dehnen nach anderen Sportarten bietet sich an, da ein niedrigerer Muskeltonus die Regeneration fördert. Zu viel davon kann aber einen eventuell auftretenden Muskelkater verstärken. Diesen Tonus senkenden Effekt kann man auch nutzen, um akute Verspannungen zu lösen.
Auch, um Beweglichkeitsdefizite dauerhaft zu beseitigen, ist passives Dehnen geeignet.
Wichtig: Passives Dehnen darf niemals die alleinige Therapie oder das alleinige Beweglichkeitstraining darstellen. Eine erreichte Form wird nur funktionell, wenn Sie auftretende Kräfte in jedem Gelenkwinkel kontrollieren können.
Statisches Dehnen mit dem Ziel der dauerhaften Beweglichkeitssteigerung sollte immer als eigene Einheit durchgeführt und vom normalen Training getrennt werden.
Dynamisches Dehnen bezeichnet beispielsweise leicht wippendendes Dehnen, Beinaufschwünge und Co.. Diese Art von Dehnungstraining ist vor allem dazu geeignet, die temporäre Beweglichkeit und den Muskeltonus zu erhöhen. Dynamisches Dehnen wird nur einige Minuten nach einem kurzen Aufwärmen ausgeführt und ist ein sinnvoller Bestandteil der Aufwärmphase von dynamischen Schnellkraftsportarten.
Zielgruppen
Dynamisches Dehnen ist nicht für jeden geeignet. Eine gewisse Grundsportlichkeit ist Voraussetzung, um die Spannung auf den Muskel korrekt einschätzen zu können. Dynamisches Dehnen eignet sich für so gut wie Sportart und kann zur Leistungsverbesserung und Verletzungsprophylaxe beitragen.
Zur Therapie von alltäglichen Bewegungseinschränkungen ist das klassische dynamische Dehnen eher weniger geeignet, da entsprechenden Patienten meist die sportliche Grundvoraussetzung fehlt.
Die Selbstmassage mithilfe von Schaumstoffrollen, Tennisbällen oder ähnlichem wird immer populärer. Dabei geht es speziell um das Lösen der Faszienverklebungen. Myofascial Release kann optimal von einem Physiotherapeuten durchgeführt werden. Mit einer Schaumstoffrolle kann jeder diesen Prozess bis zu einem gewissen Maße auch bei sich selbst durchführen. Da unsere Faszien wichtige informationsgebende Organe sind, können sich Faszienverklebungen deutlich negativ auf unsere Beweglichkeit auswirken. Viele sind erstaunt, wie viel diese Art von Training ausmachen kann.
Zielgruppen
Die Selbstmassage bietet sich eigentlich für absolut jede Zielgruppe an. Gelöse Verklebungungen führen zu einer erhöhten Funktionalität und Leistung unserer Muskulatur. Das kann unsere sportliche Leistung verbessern.
Aber auch Verspannungen und daraus resultierende Fehlhaltungen, die zu Schmerzen führen, können reduziert werden.
Ohne funktionelles Krafttraining erreichen wir keine reale gute Beweglichkeit. Die funktionelle Beweglichkeit entsteht erst, wenn wir den uns zur Verfügung stehenden Bewegungsradius auch kontrollieren können. In wie weit wir die Struktur des Muskels wirklich verändern ist wohl individuell verschieden -im Teil über Bewegungseinschränkungen und Sarkomere wird darauf genauer eingegangen- Übermäßige passive Beweglichkeit ohne Funktionalität kann am Ende mehr schaden, als dass es Ihnen nutzt.
Auch das funktionelle Training an sich kann und wird Ihre Beweglichkeit verbessern. Funktionelles Training sorgt dafür, dass Ihre aktive Beweglichkeit möglichst nah an Ihre passive Beweglichkeit kommt. (siehe Aktive und passive Beweglichkeit)
Zielgruppen
Funktionelles Krafttraining ist eigentlich Pflicht für jeden. Je intensiver Sie andere Methoden nutzen, um Ihre Beweglichkeit zu verbessern, desto wichtiger ist funktionelles Krafttraining.
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