Ein durchtrainierter Körper, viel Muskelmasse und wenig Fett. So stellen wir uns den idealen Athleten vor. Natürlich ist das auch die beste Voraussetzung, um eine echte Sportskanone zu werden. Ist das wirklich so? Wie viel Muskelmasse ist sinnvoll und wann ist sie mehr im Weg, als das sie nützt?
Um die Antwort schon einmal vorweg zu nehmen: Es hängt ganz davon ab, welchen Sport man betreibt- damit soll sich dieser Artikel näher beschäftigen.
Keine Angst vorm Fitness- und Krafttraining
Für leistungsorientierte Sportler gehört irgendeine Art von Fitness- und Krafttraining neben der Hauptsportart einfach dazu. Das gilt umso mehr, je älter die Sportler werden. Verkraften die passiven Strukturen Ihres Körpers in jungen Jahren die ein oder andere Überlastung ohne größere Beschwerden, macht sich ein zu geringes Fitnesslevel mit zunehmenden Alter doch in jeder Sportart negativ bemerkbar. Um ernsthaft sehr viel Muskelmasse aufzubauen bedarf es neben eines sehr intensiven und fokussierten Krafttrainings vor allem einer sehr kalorienintensiven Ernährung. Ohne entsprechenden Überschuss kein netto Massezuwachs. Damit haben Sie direkt einen Hebel, mit dem Sie gezielt steuern können. Erst einmal können Sie also vom Krafttraining nur profitieren. Angst um Ihre Beweglichkeit brauchen Sie auch nicht haben – eher im Gegenteil. (Mehr dazu…)
Körperliches Idealbild
Das körperliche Idealbild im Bodybuilding unterscheidet sich deutlich vom körperlichen Idealbild, das z.B. durch olympische Tradition übertragen wurde. Bodybuilding ist eben das, was der Begriff bereits zu erkennen gibt – Körperbildung. Dabei geht es in erster Linie darum, bestimmte Körperpartien besonders hervorzuheben und ein stimmiges Gesamtbild abzuliefern. Solche Körper sind beeindruckend, bekannterweise meist nicht ohne Nachhelfen entstanden und sie sind – das steht außer Frage – natürlich auch stark. Das klassisch olympische körperliche Idealbild stellt allerdings einen zwar gut definierten, aber dennoch eher massearmen Athleten dar. Ist dieser nun eher der sportliche Siegertyp als der Bodybuilder?
Sportarten für schwere und starke Sportler, Sportarten für leichte Sportler – über Maximal-, Relativ und Sprungkraft
Es gibt Sportarten, in denen massereiche Sportler einfach besser abschneiden. Das hängt zum einen mit dem öffentlichen Interesse, zum anderen mit dem Regelwerk zusammen. Werfern wir einen Blick in die Leichtathletik. Es gibt kaum bis keine schlanken erfolgreichen Sportler im Kugelstoßen. Das hängt an dieser Stelle mit dem einfach gehaltenen Regelwerk zusammen: Es gibt keine Einteilung in Leistungsklassen, gewonnen hat der, der die Kugel am weitesten stößt. Wer auch nur ein wenig im Physikunterricht aufgepasst hat, kann sich denken, dass hier wohl die großgewachsenen, massigen Sportler am besten abschneiden.
Beim Boxen sieht die Sache etwas anders aus. Hier gibt es Gewichtsklassen. Doch wie es so in unserer Gesellschaft ist, finden die Extreme immer die größte Beliebtheit. So auch beim Boxen. Die Kämpfe mit den höchsten Einschaltquoten finden in der obersten Gewichtsklasse statt. Aber auch unabhängig davon würde hier die Physik wieder zuschlagen. Ein Kämpfer mit sehr wenig Körpermasse hätte in einem Vollkontakt Boxkampf wenig Chancen gegen einen deutlich schwereren Gegner.
Interessanter wird es in anderen Kampfsportarten. Vor allem solche, die schnell und athletisch arbeiten. Dazu zählen z.B. Taekwondo als Vollkontaktsport oder Semi und Leichtkontakt Kampfsportarten wie Karate. Muskeln sind für unsere Bewegung essentiell – müssen aber gleichzeitig auch bewegt werden. Sie werden kaum einen Athleten mit sehr guter Schnellkraft finden, dessen Körperbild einem Marathonläufer gleicht. Athleten mit sehr guter Schnellkraft und viel Muskelmasse lassen sich allerdings durchaus finden – wobei die goldene Mitte deutlich häufiger ist. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wie viel Masse brauche ich? Wann wird es zu viel?
Funktionalität siegt
Jeremy Warina – 3x Olympia Gold auf der 400m Distanz. „Osaka07 D5A Jeremy Wariner“ von Eckhard Pecher (Arcimboldo) – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 2.5 über Wikimedia Commons
Michael Johnson- 4x Olympia Gold auf 400m „Michael Johnson at Olympic Stadium von VOA News
Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da sie von vielen individuellen Faktoren abhängt. Werfen wir einen Blick in die Leichtathletik und vergleichen die Athleten Michael Johnson und Jeremy Wariner. Ist Jeremy Warina doch eher der schmalere Körpertyp, entspricht der Körper von Michael Johnson wohl schon in etwa dem, was viele Trainierende mit Bodybuilding erreichen wollen – zumindest diejenigen, die es nicht auf die höchste Gewichtsklasse abgesehen haben, die ohne Doping ohnehin nicht erreichbar ist. Welcher Körper ist nun besser für die Schnellkraftleistungen der olympischen Disziplinen geeignet? Wie sehen die Bestleistungen aus? Warinas beste Zeit auf 400m beträgt 43,45 s. Johnson ist etwas schneller mit 43,18 s. Ein durchaus knappes Ergebnis. Dazu kommt, dass wir in diesem Fall nur die Bestzeiten vergleichen. Wenn dazu noch die Streuung der Leistung Beachtung findet, kann man durchaus behaupten, dass sich beide Sportler – trotz sehr unterschiedlicher Körpertypen- auf dem selben Niveau befinden/befanden. Woran liegt das? Warinas wiegt bei 1,83 67 Kg. Johnson bringt bzw. brachte bei nur 5 cm mehr Körpergröße mehr als 10 Kg mehr auf die Wage. Auffällig ist zunächst, dass beide Athleten auf jeden Fall leichter sind, als typische Bodybuilder. Das ist wohl in erster Linie- vor allem bei Johnson – auf einen sehr geringen Körperfettanteil zurück zu führen. Jedes Gramm träge Masse ohne direkte Funktion für die sportliche Leistung bremst eben aus. Beide Sportler haben wahrscheinlich eine durchaus ähnliche Relativkraft – die Kraft, die sie im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht aufbringen können. Was beide Athleten ebenfalls gemeinsam haben ist eine hochspezifisch trainierte inter- und intramuskuläre Koordination. Das gilt übrigens für jede Sportart. Denn das sportartspezifische Training ist es, das am Ende zu der entsprechenden Leistung führt. Körperliche Voraussetzungen, Muskelmasse und Körperfettanteil bilden zwar eine Grundlage, am Ende kommt es aber darauf an, wie gut die spezifische Koordination für die jeweilige Sportart ausgebildet ist!
Physik und Hebel
Die Gesetze der Physik gelten aber für beide Athleten. Obwohl sich beide auf dem selben Niveau befinden – wir also rein sportlich von der gleichen Leistung sprechen – erbringt Johnson physikalisch gesehen die höhere Leistung. Es erfordert einfach mehr Energie, um eine höhere Masse in der gleichen Zeit von A nach B zu befördern. Das ist durchaus eine Tatsache, die man sich einmal bewusst machen sollte, wenn man Sportler mit unterschiedlichem Körpergewicht miteinander vergleicht. Dazu kommen noch die unterschiedlichen physikalischen Bedingungen des jeweiligen Körpers eines Sportlers. Bereits eine kleine Verschiebung des Muskelansatzes kann dafür sorgen, dass die Kräfte, die ein Muskel aufbringen muss, deutlich anders sind. Um diesen Belastungen gewachsen zu sein, reagiert ein Muskel mit Hypertrophie. Zudem wirkt ein Muskel, dessen Ansatz und Ursprung näher beieinander sind, meist deutlich voluminöser.
Feststellen lässt sich an diesem Punkt aber, dass es tatsächlich auch unfunktionelle, sich zum Nachteil auswirkende Muskelmasse gibt. Zum einen zeigt sich hier das Problem des erhöhten Energieverbrauchs. Nehmen wir einmal an, Sie haben ihren Bizeps mittels regelmäßiger intensiver Curls auf einen mehr als stolzen Umfang gebracht. Damit haben Sie gleichzeitig den Energiebedarf dieser Muskeln sowohl in Ruhe, als auch in Bewegung erhöht. Wenn Sie jetzt z.B. sprinten, werden Sie mit jeder Bewegung zum einen mehr Masse bewegen müssen, zum anderen mit diesem Muskel auch mehr Energie verbrauchen. Eventuell erhalten Sie durch die höhere Armkraft eine kleine Steigerung der Zugkraft der Arme. Insgesamt müssen Sie aber jetzt mehr physikalische Leistung erbringen und produzieren aufgrund der anaeroben Energiebereitstellung mehr Laktat. Das kann sich negativ auf die Laufzeit auswirken. Und das wirkt sich negativ auf das aus, was wir am Ende als „sportliche Leistung“ bezeichnen. Denn sportliche Leistung ist eben nicht immer einfach nur Arbeit/Zeit. Analogien zum Sprint lassen sich in so gut wie jeder Sportartfinden. Turner, Tricker und Akrobaten mit unterschiedlicher Masse springen gleich hoch, schrauben gleich schnell. Die ersichtliche Leistung scheint gleich. Die physikalische Leistung ist aber eine völlig andere. Basketballspieler […]
Fazit
Außer im Bodybuilding, wo es heißt mehr=besser, gibt es also durchaus in fast jeder Disziplin Sportler mit unterschiedlichsten Körpermassen, die die gleiche sportliche Leistung erbringen. Interessant ist, dass Sportarten, bei denen die sportliche Leistung ziemlich nah an die tatsächliche physikalische Leistung herankommt (z.B. Gewichtheben), meist eindeutig in Gewichtsklassen eingeteilt sind, um diesem Prinzip gerecht zu werden. Natürlich gibt es durchaus auch sportliche Disziplinen, bei denen ein zu viel an Muskelmasse einfach im Weg ist. Dazu zählt zum Beispiel der Langstreckenlauf. Vor allem dann, wenn es um die ganz hohen Distanzen geht. Ansonsten geht es vor allem um eins: sportartspezifisches Training. Kickboxer müssen treten und Boxen, um gut zu werden. Zirkeltraining und Dehnungseinheiten schaffen zwar eine gute Grundfitness und ergänzen den Sport perfekt, sollten aber niemals das Haupttraining verdrängen. Fußballer sollten in erster Linie spielen, dribbeln und schießen. Aufbau einer Grundlagenausdauer gehört dazu, aber nicht ins Haupttraining! Diese Liste lässt sich so fast unendlich weiter führen.
Wichtig wird Kraft- und Fitnesstraining aber vor allem bei Verletzungen oder wenn der Sport über Jahre, evtl. sogar bis ins Alter betrieben werden soll. Denn eine gut trainierte Muskulatur entlastet die Gelenke und reduziert den Verschleiß. Vor allem Ihr Rücken ist es Ihnen dankbar. Das gilt umso mehr bei Sportarten, die einseitige Belastungen mit sich bringen. Dazu gehören vor allem Rückschlagsportarten wie Tennis, Squash oder Badminton. Aber auch Fußball (bevorzugter Fuß) oder auch Tanzen, Turnen, Tricking und Parkour gehören dazu(bevorzugte Schraubrichtung).