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FOAM-Rolling erhöht den ROM: Wirkungen abseits der Faszien

 

Dies ist der Artikel Nr. 5 des Sport-Attack Faszienspecials. Alle Artikel des Specials:

Die FOAM-Roll ist ein Tool für sogenanntes Self-Myofascial-Release und wird heute im Breiten- und Leistungssport mit den unterschiedlichsten Zielen eingesetzt. Es soll die Beweglichkeit steigern, Erholung verbessern und Schmerzen reduzieren. Dabei ist das Ziel in erster Linie das Lösen von faszialen Verklebungen. Dieser Artikel soll ein paar Ideen in den Raum werfen, welche Wirkungen FOAM-Rolling noch haben könnte und zeigen, dass Veränderungen – besonders akute – sich nicht immer auf Beeinflussung der Faszienstruktur zurück führen lassen. Besonders interessant ist die Anlehnung dieser Betrachtung an unsere Beweglichkeit. Den mit dem ROM(Range of Motion) eines Gelenks, lässt sich ein Maß für eine Bewegung finden, die von vielen Faktoren beeinflusst werden kann. Außerdem wurde im vorangehenden Artikel erkannt, dass die Anwendung von FOAM-Rolling scheinbar akut und chronisch eine Wirkung auf den ROM haben kann.

Mehr ROM wegen Warmup-Effekt?

Wenn man davon ausgeht, dass nun eine tatsächliche physiologische Wirkung für alle potentiellen Nutzergruppen verschiedener Ausgangswerte existiert, stellt sich die Frage, aufgrund welcher physiologischen Eigenschaft diese entsteht. Zuerst einmal stellt die Durchführung der FOAM-Rolling Intervention natürlich eine körperliche Aktivität dar. Man könnte daher annehmen, dass ein Aufwärmeffekt für den Anstieg des ROM verantwortlich sei. Cornelius und Hands (1992)[1] untersuchten jedoch 54 Frauen auf die akuten Wirkungen eines Warmups ohne Dehnübungen auf die Beweglichkeit des Hüftgelenks. Dabei wurden die Probanden zufällig in Cycling, Whirlpool und Kontrollgruppe (ohne Warmup) eingeteilt. Es ließen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen feststellen. Zum gleichen Ergebnis kamen auch Duncan und Woodfield (2006)[2] bei dem Vergleich statischer, dynamischer und nicht aufgewärmter Gruppen von Kindern – es ließen sich keine signifikanten Änderungen im Sit-and-Reach-Test feststellen.  Daraus lässt sich schließen, dass Aufwärmen allein durch allgemeine körperliche Aktivität (ohne spezifische Bewegungen über große ROM) keine direkte Erhöhung des ROM in der Hüfte erzeugt. Übertragen auf eine Intervention mit dem FOAM-Roller lässt dies annehmen, dass der Effekt durch Aufwärmen nicht ausschlaggebend für eine Erhöhung des ROM ist.

Exakte physiologische Ursache ist unklar und wahrscheinlich eine Mischung mehrere Effekte – Faszien als Ursache chronisch wahrscheinlicher als akut

Bei der Suche nach weiteren möglichen Ursachen für eine Erhöhung des ROM ist festzustellen, dass sich nicht genau festmachen lässt, was die exakte physiologische Ursache für die Wirkung von SMR ist und ob die Ursache tatsächlich in der Struktur der Faszien liegt, muskulär (eventuelle lokale Dehnung der Titin-Filamente[3] und Muskelspindeln durch direkten Druck), neuronal (Bedingt durch Druckstimulation. Einige Therapieverfahren, wie z.B. die Golgi Schmerztherapie[4] nutzen Druckstimulation zur Schmerzbehandlung. Eventuell sorgt der Druck der FOAM-Roll ebenfalls für reduziertes Schmerzempfinden.) oder sogar metabolisch bedingt ist. Okamoto et al. (2014)[5] stellten z.B. fest, dass FOAM-Rolling den Stickoxidgehalt im Blutplasma erhöht, was dazu führt, dass die Steifheit der arteriellen Blutgefäße sinkt. Ebenso könnten sich die Effekte einer normalen Massage eventuell ebenfalls auf den erreichbaren ROM auswirken. Gerade bei Massagetechniken ist die Wirkung aber nicht allein durch Faszien bedingt. Verbesserung der venösen Entleerung, Freisetzen von Entzündungsmediatoren, Serotonin- / Endorphinausschüttung und Stimulation der Druckrezeptoren sind mit verantwortlich für die Gesamtwirkung einer Behandlung. Gerade bei der Betrachtung der akuten Wirkung ist ein Festlegen auf eine Art der physiologischen Wirkung schwierig und wahrscheinlich auch nicht sinnvoll. Dass die akuten Wirkungen, zumindest nicht im gesamten Ausmaß, nur durch Änderungen in der Faszienstruktur bedingt sind, legen auch Young et al. (2017)[6] nahe. Sie untersuchten die Wirkung einer dreimal 60 Sekunden langen SMR Anwendung der Fußsohle auf die Beweglichkeit im Sit-and-Reach-Test, die nach dem gleichen Verfahren, wie in dieser Arbeit gemessen wurde. Dabei konnten sie keinerlei Verbesserung der Rumpfbeugefähigkeit, weder direkt, noch 10 Minuten nach der Intervention feststellen. Das zeigt auf, dass sich die Wirkungen der SMR Anwendung akut eher lokal zeigen, die Netzwerkstrukur der Faszien hier also nicht zum Tragen kommt. Unter Betrachtung der chronischen Wirkungen liegt die Annahme einer Wirkung auf das Fasziensystem aber nahe, vor allem dann, wenn ansonsten keine anderen ROM steigernden Übungen, wie z.B. verschiedene Dehnmethoden durchgeführt wurden.

[1] Cornelius, W. & Hands, M. (1992). The effects of a warm-up on acute hip joint flexibility using a modified PNF stretching technique. Journal of Athletic Training, 27-1992, 112ff.

[2] Duncan, M. & Woodfield, l. (2006). Acute effects of warm up protocol on flexibility and vertical jump in children. Journal of Exercise Physiology, 9-2006, 9-16.

[3] Klee, A. (2003). Methoden und Wirkungen des Dehnungstrainings, 7-14. Schorndorf: Hofmann.

[4]SanTerris GmbH. Golgi Schmerztherapie. Zugriff am 03.07.17  unter  http://www.golgi.eu/tl_files/golgi/PDF/2016-01-Golgi-Therapeutenprospekt_druck-k.pdf

[5] Okamoto, T., Masuhara, M. & Ikuta, K. (2014). Acute effects of Self-Myofascial Release using a Foam Roller on arterial function. Journal of Strenght and Conditioning Research, 01-2014, 69-73.

[6] Young, J. et al. (2017). Unilateral rolling of the foot did not affect nonlocal range of motion or balance. Journal of Sports Science and Medicine. 16, 209-218.

 

 

 




Myofascial Release/FOAM-Rolling – Wirkungen auf Beweglichkeit

Dies ist der Artikel Nr. 4 des Sport-Attack Faszienspecials. Alle Artikel des Specials:

Hinweis: Zum Verständnis sollten Sie den vorangehenden Artikel „Training und Beeinflussung der Faszien“, vor allem den Teil „Manipulation der lokalen Faszienstruktur“ gelesen haben.

MR / SMR – Fremd oder Selbstbehandlung im Vergleich

Ziel beider Methoden (MR/SMR) ist es, sogenannte myofasziale Triggerpunkte zu stimulieren. MR und Massagetechniken haben schon lange Einzug in die Behandlungspraxis von Physiotherapie und Krankengymnastik gefunden und die ROM steigernde, spannungsreduzierende und oft auch schmerzlindernde Wirkung ist bekannt. Gerade bei Massagetechniken ist die Wirkung aber nicht allein durch Faszien bedingt. Verbesserung der venösen Entleerung, Freisetzen von Entzündungsmediatoren, Serotonin- / Endorphinausschüttung und Stimulation der Druckrezeptoren sind mit verantwortlich für die Gesamtwirkung einer Behandlung.

Nun steht nicht jedem zu jedem Zeitpunkt ein eigener Physiotherapeut zur Verfügung, der entsprechende Manipulationstechniken anwenden kann. Hier wird SMR interessant. In vielen Fitnessstudios gehört die Massagerolle mittlerweile zur Standardausrüstung. Viele Sportler besitzen selbst so eine Rolle. Die Anwendung erfolgt dabei meist recht unspezifisch. Die Anwendung gestaltet sich für den Sportler denkbar einfach – durch einfaches Rollen mit dem eigenen Körpergewicht oder selbst erzeugtem Druck über die Rollen oder Bälle werden entsprechende Körperpartien massiert. Auch, wenn der Sportler über Hintergrundwissen zu anatomischen Gegebenheiten wie den Faszienlinien verfügt, kann eine solche Behandlung natürlich nicht mit der Präzision durchgeführt werden, die eine manuelle Therapie ermöglicht. Deshalb ergibt sich die Frage, ob SMR tatsächlich in der Lage ist, ROM und evtl. andere motorische Fähigkeiten und Metafaktoren wie Schmerzsensibilität positiv zu beeinflussen. MTrP sind durch Selbstbehandlung natürlich schwerer zu erreichen. Inwiefern also SMR wirklich auf fasziale Strukturen wirken kann, ist nicht ganz gesichert. Wenn aber bei klassischer MR und Massagetechniken die Wirkprinzipien in ihrer Gesamtheit erst ihre echte Wirkung entfalten, kann man davon ausgehen, dass dies auch bei SMR z.B. durch FOAM Rolling der Fall sein könnte. Deshalb ist vor allem die Betrachtung der Wirkungsergebnisse auf die motorischen Fähigkeiten und Metafaktoren interessant.

Bei der Untersuchung der Wirkung von SMR, speziell durch FOAM Rolling wird zwischen akuten (flüchtig, kurz nach der Intervention) und chronischen (dauerhaft, bzw. mindestens längerfristige Veränderung) Wirkungen unterschieden.

MR / SMR – chronische Wirkungen

Junker und Stöggl (2015) [1] untersuchten die Wirkung von FOAM-Rolling auf die Flexibilität der Hamstrings an 40 gesunden Männern über 4 Wochen und verglichen diese mit PNF-Stretching und einer Kontrollgruppe. Im Ergebnis zeigten sowohl die FOAM-Rolling Gruppe als auch die PNF Gruppe signifikante Verbesserungen in der Rumpfbeugefähigkeit (Stand-and-Reach Test) im Vergleich zur Kontrollgruppe. Weiterhin ist zu bemerken, dass der Unterschied zwischen der FOAM-Rolling Gruppe und der PNF Gruppe nicht signifikant ist. Bedenkt man, dass PNF als eine der effektivsten Dehnmethoden bekannt ist und z.B. statischem Dehnen in Bezug auf chronischer ROM Veränderung überlegen ist[2], kann daraus geschlussfolgert werden, dass FOAM Rolling eine durchaus effektive Art und Weise ist, seinen ROM dauerhaft zu verbessern. Allerdings bleibt dabei die Frage offen, ob nach einer gewissen Zeit nicht ein Plateau eintreten wird, sobald die durch die Faszienstruktur bedingten Ursachen der Beweglichkeitseinschränkung beseitigt sind oder ob die Verbesserungen überhaupt tatsächlich durch Veränderung der Faszienstruktur bedingt sind. Leider fand die Messung von Junker und Stöggl recht kurzfristig nach der letzten Intervention statt, sodass chronische und akute Wirkung nicht ganz klar getrennt sind.

MR / SMR – akute Wirkungen

Graham et al. (2013)[3] untersuchten an 11 sportlich aktiven, ca. 22 Jahre alten Männern die akute Wirkung von FOAM-Rolling anhand des Kniestreckers zwei und zehn Minuten nach einer Intervention. Dabei wurde der Kniestrecker zwei Mal eine Minute behandelt (Eine Minute Pause). Nach zwei Minuten ließ sich eine durchschnittliche ROM Vergrößerung von 10°, nach zehn Minuten eine ROM Vergrößerung von immerhin noch 8° messen.  Außerdem untersuchten sie die Kraftfähigkeit des Muskels in willkürlicher und durch Muskelimpuls erzwungener Kontraktion. Hier stellten sie keine signifikanten Zusammenhänge fest. Gleichzeitig bedeutet das aber, dass ihr Ergebnis eine akute Zunahme des ROM ohne Abnahme der Kraftfähigkeit darstellt.

Dass FOAM-Rolling keinen Einfluss auf Athletikleistungen, wie z.B. Sprungkraft, Schnellkraft, Schnelligkeit und Wendigkeit hat, bestätigen Healey et al. (2013)[4]. Dabei untersuchten sie 26 (13m/13w) Collegestudenten, die jeweils vier verschiedene Athletiktests durchführten (isometrische Kraftmessung, Countermovement Jump in Höhe und Kraft, Agility Shuttle Run). An einem Tag erfolgte zuerst eine FOAM-Rolling Intervention, am anderen einfaches Planking. Der Hintergedanke war, dass Planking aufgrund der Post-Aktivierungs-Potenzierung[5] die Werte positiv beeinflussen könnte und FOAM-Rolling ähnliche Stabilisierungsanforderungen bei der Selbstbehandlung aufweist. Es wurden keine signifikanten Zusammenhänge gefunden. Aus der Befragung ergab sich jedoch, dass signifikante Änderungen in der Empfindung von Ermüdung, Anstrengung und „Soreness“ hin zu niedrigen Werten angegeben wurden. Hier könnte eventuell der Faktor Psyche eine Rolle spielen.

Die positive Wirkung auf den ROM bei nicht Beeinflussung der Kraftleistungen betätigen auch Behara und Jacobson (2017)[6]. Sie untersuchten 14 männliche Football Offensivspieler und maßen die Hamstring Flexibilität nach FOAM-Rolling, dynamischen Dehnen und ohne Intervention. Auch hier unterschieden sich die Werte der FOAM-Rolling und der Dehnungsgruppe signifikant von der Kontrollgruppe. Auf Sprunghöhe, Beschleunigung beim Sprung, Maximalkraft und durchschnittliche Kraft beim Sprung zeigten sich durch FOAM-Rolling keine signifikanten Auswirkungen.

FOAM-Rolling kann allerdings Auswirkungen auf athletische Leistungen haben, wenn diese von der Beweglichkeit limitiert werden. So zeigten Monteiro et al. (2017)[7], dass FOAM-Rolling die Leistung in der Tiefkniebeuge des FMS-Test positiv beeinflussen kann. Die Kniebeuge im FMS-Test dient zwar nicht der Kraftmessung. Wenn die Bewegungsfähigkeit hier aufgrund des möglichen ROM limitiert ist, ist allerdings davon auszugehen, dass die Bewegung z.B. auch beim Training mit Gewicht nicht optimal ausgeführt werden kann.

[1] Junker, D. & Stöggl T. (2015). The Foam Roll as a tool to improve hamstring flexibility. Journal of Strenght and Conditioning Research, 12-2015, 3480-3485.

[2] Lempke, L. (2017). The effectiveness of PNF vs. static stretching on increasing hip flexion range of motion. Journal of sport and rehabilitation, 02-2017, 1-17.

[3] Graham, Z. et al. (2013). An acute bout of self-myofascial release increases range of motion without a subsequent decrease in muscle activation or force. Journal of Strenght and Conditioning Research, 3-2013, 812-821.

[4] Healey, K. et al. (2013). The effects of myofascial release with foam rolling on performance. Journal of Strenght and Conditioning Research, 1-2013, 61-68.

[5] Robbins, D. (2005). Postactivation potentiation and its practical applicability: a brief review. Journal of Strenght and Conditioning Research, 5-2005, 453-458.

[6] Behara, B. & Jacobson, B. (2017). The acute effects of deep tissue foam rolling and dynamic stretching on muscular strenght, power, and flexibility in division I linemen. Journal of Strenght and Conditioning, Vorveröffentlichung.

[7] Monteiro, E. (2017). Acute effects of different self-massage volumes on the FMS™ overhead deep squat performance. International Journal of Sports Physical Therapy, 2-2017, 94-104.

 

 




Training und Beeinflussung der Faszien

Dies ist der Artikel Nr. 3 des Sport-Attack Faszienspecials. Alle Artikel des Specials:

Dieser Teil beschäftigt sich mit der Möglichkeit, die Eigenschaften der Faszien gezielt zu beeinflussen und eventuelle Defizite zu beseitigen.

Methodenüberblick und physiologische Wirkungen

Zum besseren Überblick über die grundsätzlichen Methoden des Trainings der Faszien lassen sich die folgenden Wirkungskategorien bilden:

Ziel Inhalt/Methode
Plastische Veränderung der Faszienstruktur

 

Langanhaltendes statisches Dehnen, Haltungskorrektur

Als Folge des Wissens über die plastische Anpassungscharacteristik der Faszien kann kontantes Dehnen mit geringem Widerstand und langem einnehmen der Dehnhaltung als wirksame Methode zur Veränderung der Faszienstruktur angenommen werden. Im Prinzip zielt diese Methode auf eine Umkehr der Adaptation auf eine Fehlhaltung. Das könnte z.B. durch ständige Kontrolle der Haltung, Veränderung der Gegebenheiten des Arbeitsplatzes oder aber durch spezifische Trainingseinheiten geschehen.

Manipulation der lokalen Faszienstruktur

 

MR

Behandlung von Verdickungen, Verhärtungen, Verfestigungen und auch Fibrosierungen[1].

Der Körper wird gezielt nach solchen Merkmalen abgetastet; diese werden dann mit Knöchel, Ellbogen oder speziellen Geräten manipuliert und gelöst. Die Behandlung kann lokal oder systemweit durchgeführt werden.

SMR

Die Behandlung wird mithilfe von Massagerollen oder Massagebällen an sich selbst durchgeführt.

Versorgung das Faszien Federn, Wippen und plyometrische Übungen sollen die Versorgung der Faszien mit Nährstoffen und Flüssigkeit fördern. Dazu zählen neben verschiedenen dynamischen Dehnungen Wipp- und Sprungbewegungen.Dies richtet sich besonders an nicht Sportler oder Sportler mit wenig dynamischer Belastung.

 

[1] Fibrosierung bezeichnet die erhöhte Bildung von Bindegewebe, die zu Funktionsstörungen führt.

 

 




Mechanik, Struktur und Netzwerkfunktion der Faszien

Dies ist der Artikel Nr. 2 des Sport-Attack Faszienspecials. Alle Artikel des Specials:

Mechanik und Struktur

Faszien sind neben unserem knöchernen Skelett Strukturgeber unseres Körpers. Gerade das flache Bindegewebssystem umhüllt Muskulatur und Organe und verbessert deren Zusammenarbeit. Im Gegensatz zum knöchernen Skelett sind Faszien aber deutlich flexibler. Myers (2004)[1] teilt die Faszien grundsätzlich in 4 verschiedene Leitbahnen ein.

  1.  Oberflächliche Rückenlinie
  2.  Oberflächliche Frontallinie
  3. Lateriallinien
  4. Spirallinien

 

 

Die Spirallinien

Die oberflächliche Frontallinie

Die Laterallinien

Die oberflächliche Rückenlinie

 

 

 

 

 

Faszien übernehmen in unserem Körper zudem eine Vielzahl spezifischer Aufgaben. Paoletti (2001)[2] benannte diese mit Stützfunktion, Trägerfunktion, Schutzfunktion, Stoßdämpferfunktion, Abwehrfunktion, biochemischer Funktion und Funktion für Kommunikation und Austausch. Dabei sind diese Arten der Funktion vor allem mechanischer Struktur. Sei es als mechanische oder chemische Barriere, als Strukturgeber oder Überträger von Kräften. Die Wirkung der Koordination von Bewegungen wird hier auch in erster Linie mechanisch begründet.  So kommt Paoletti (2001) zu dem Umlenkrollenprinzip, das in der Abbildung verdeutlicht ist.

Bildzitat aus: Paoletti, S. (2001). Faszien. München: Urban und Fischer

[1] Myers, T. (2004). Anatomy Trains. München: Urban und Fischer.

[2] Paoletti, S. (2001). Faszien. München: Urban und Fischer.

Kommunikation im Netzwerk

Sind Faszien bloß passive Bindegewebsstrukturen, die ihre Aktivität erst durch die Muskulatur erhalten oder haben sie selbst sensorisch-kommunikative Fähigkeiten? Arbeiten sie lokal oder im Netzwerk? In der Operationstechnik an Ligamenten wird schon seit den 90er Jahren die sensorische Funktion der Faszien berücksichtigt, doch auch Untersuchungen an den flachen Faszienstrukturen (z.B. der Plantarfaszie) haben gezeigt, dass von diesen sensorischer Input ausgeht.[1] Wenn man in Folge des Wissens über die Netzwerkstruktur der Faszien davon ausgeht, dass sensorische Signale, die eine Hemmung von Bewegung bewirken, ganze funktionale Ketten beeinflussen können, kommt man zu dem Schluss, dass die Ursache einer Einschränkung des ROM eines bestimmten Gelenks nicht immer in direkter physiologischer Nachbarschaft zu finden ist.

Das ist insofern besonders interessant, als dass Schleip (2014) in demselben Artikel sogar so weit geht, die Sensibilität faszialen Gewebes aufgrund der Anzahl sensibler Nervenendigungen mit der Sensibilität der Retina zu vergleichen. Auch, wenn die Sensibilität natürlich nicht mit der Effektstärke auf den Dehnungswiderstand gleichzusetzen ist, ist dennoch davon auszugehen, dass die sensorischen Funktionen der Faszien zumindest eine Auswirkung haben und der Dehnwiderstand nicht, wie in der These von Klee (2003), fast ausschließlich durch Strukturen der Muskulatur (Titin) bedingt ist. Die Beschränkung der Ursache der Dehnspannung auf den Dehnungszustand der Titinstruktur oder den Zustand der lokalen Muskelspindeln hätte zur Folge, dass eine Veränderung des ROM eines Gelenks auch nur durch lokale Behandlung herbeizuführen ist.

Die These einer übergreifend zusammenhängenden Kommunikation wird von van der Wal (2014)[2] bestätigt. Er beschreibt dabei seine Untersuchung von 2009, in der alle Mechanorezeptoren einer Ratte untersucht wurden, die in Verbindung mit dem Bindegewebe stehen. Er fand eine Konnektivität zwischen Mechanorezeptoren und Faszienstrukturen und geht deshalb davon aus, dass die seriell angeordneten Muskeln durch den sensorischen Input des Fasziengewebes in ihrer Aktivität beeinflusst werden.

 

 

[1] Schleip, R. (2014). Das Fasziennetzwerk. In R. Schleip et al. (Hrsg.), Lehrbuch Faszien, 56f. München: Urban und Fischer.

[2] Van der Wal, J. (2014). Propriozeption. In R. Schleip et al. (Hrsg.), Lehrbuch Faszien, 58-63. München: Urban und Fischer.




Faszien – passive Bindegewebsstrukturen oder aktives sensorisches Gewebe?

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Einleitung

Faszien bezeichnen gemeinhin alle verbindenden Bindegewebsstrukturen. In diesem Special geht es speziell um die muskelumhüllenden Faszien. Diese galten lange Zeit als rein passives Gewebe mit plastischem Anpassungsverhalten. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass ihnen in ihrer Netzwerkstruktur eine höhere Bedeutung als nur die Hülle der Muskulatur zukommt. Neben der Unterstützung der Kraftübertragung sind die Faszien nun auch als ein begrenzender Faktor für die motorische Fähigkeit „Beweglichkeit“ bekannt. In einem Netzwerksystem arbeiten verschiedene Faszienleitbahnen muskelgruppenübergreifend zusammen. Steigender Beliebtheit erfreut sich somit auch das gezielte Faszientraining, dessen Bestandteil neben dynamischen Faszienflexibilitätstraining und Fasziendehnen auch das sogenannte „Self Myofascial Release“ ist, welches die Selbstmassage durch Faszienrollen, Faszienbälle und andere Tools beschreibt.

Definition- Was sind Faszien überhaupt?

Als Definition für Faszien ist die Beschreibung des internationalen Faszien Kongresses am gebräuchlichsten.

„Fascia is the soft tissue component of the connective tissue system that permeates the human body. It forms a whole-body continuous three-dimensional matrix of structural support. Fascia interpenetrates and surrounds all organs, muscles, bones and nerve fibers, creating a unique environment for body systems functioning. The scope of our definition of and interest in fascia extends to all fibrous connective tissues, including aponeuroses, ligaments, tendons, retinaculae, joint capsules, organ and vessel tunics, the epineurium, the meninges, the periostea, and all the endomysial and intermuscular fibers of the myofasciae.“[1]

Gemäß dieser Definition sind Faszien ein sehr weitreichender Begriff, da unter anderem auch Bänder, Gelenkkapseln, organumgebendes Bindegewebe und Gelenkfesseln neben den „eigentlichen“ Faszien, also den Muskelumhüllenden Bindegewebsstrukturen, miteingeschlossen werden. Entscheidend ist, dass das Fasziensystem nicht als eine Art Sammlung einzelner Komponenten, sondern als zusammenhängendes Netzwerk verstanden wird. Obwohl in dieser Arbeit in erster Linie auf die flächigen Bindegewebe eingegangen wird, auf die einige Autoren die Definition der Faszien reduzieren, sollte dieser netzwerkartige Zusammenhang nicht aus den Augen verloren werden.

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SMFR/MFR Faszientraining mit der FOAM-Roll- Effekte auf die Leistung?

 

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SMFR steht für „self myofascial release“ und kennzeichnet einen sich rasant ausbreitenden Trend der Selbstmassage. Die am häufigsten praktizierte Form vom SMFR ist das sogenannte FOAM-Rolling. Dabei werden die Muskeln mithilfe einer Massagerolle und Unterstützung durch das eigene Körpergewicht massiert. So sollen sich Verklebungen in den Faszien lösen, Beweglichkeit sowie sportliche Leistung auf vielerlei Ebenen verbessert und ganz nebenbei auch noch Schmerzen reduziert werden.

Die klassische Massage und manuelles Lösen von Verklebungen im Bindegewebe sind schon lange physiotherapeutischer Standard und haben sich in der Wirksamkeit bewährt. Doch mit welchen Wirkungen können Sie bei der Verwendung einer solchen Schaumstoffrolle rechnen?

Wirkungen auf die Beweglichkeit

Auf die Beweglichkeit scheint sich die Behandlung mit der FOAM-Roll tatsächlich positiv auszuwirken- auch, wenn nicht klar ist, ob die Steigerung der Beweglichkeit einen physiologischen Hintergrund durch Veränderung der Faszienstruktur hat.(Es wird sich kaum jemand finden lassen, der sich zu dem Zweck einer solchen Untersuchung aufschneiden lässt…) So hat z.B. eine Studie von McDonald et al. 2013 eine signifikante Verbesserung der Beweglichkeit kurz nach der Behandlung mit der FOAM-Roll ergeben. Dabei wurde speziell der Quadrizeps untersucht und ein standardisierter Beweglichkeitstest 2 bzw. 10 Minuten nach der Intervention durchgeführt. Allerdings muss man auch feststellen, dass die Beweglichkeit beim 2-Minuten Test noch höher war als beim Test 10 Minuten nach der Intervention. Woher der Effekt kommt, bleibt weiterhin aber unklar. Eventuell lassen sich solche akuten Effekte durch eine Herabsetzung des Reizschwellen-Niveaus erklären, die durch die Massage entsteht. Eine andere Erklärung wäre eine durch Entspannung induzierte Herabsetzung des Muskeltonus.

Langfristig scheint es ebenfalls Effekte zu geben. 2015 haben Junker und Stöggl versucht, die chronischen Wirkungen von self myofascial release zu untersuchen. Auch, wenn die Studie einige methodische Schwächen aufweist(So fand die letzte Untersuchung direkt nach der letzten Intervention statt), kamen sie zu dem Entschluss, dass das Training mit der FOAM-Roll doch wirksam ist- und zwar so wirksam, dass es dem CRAC Dehnen (Mehr dazu hier: Postisometrisches Dehnen / Überblick über die Dehnmethoden) nur leicht unterlegen war. Hier bleibt jedoch die Frage offen, wie langanhaltend die Effekte sind. Die akuten Effekte sind aber z.B. 2015 durch Behara und Jacobson bestätigt.

Wirkungen auf die Kraft und andere sportliche Leistungen

In der oben erwähnten Studie von MacDonald et al. wurden außer der Beweglichkeit auch Maximalkraft, Kraftentwicklung und Muskelaktivität per EMG gemessen. Hier ließen sich aber keine Veränderungen feststellen. Genauso erging es Behara und Jacobson bei der Messung der Maximalkraft und Sprungkraft (mittels Counter-Movement-Jump). Auch, wenn es keine messbare positive Veränderung dieser Leistungswerte gibt, bleibt dennoch festzuhalten, dass auch keine negative Beeinflussung festzustellen ist. Wenn sich also die Beweglichkeit akut verbessern lässt, ohne negative Auswirkungen auf andere Leistungskomponenten zu haben, kann der Einsatz der FOAM-Roll eventuell tatsächlich sinnvoll sein.

Im Gegensatz dazu steht z.B. statisches Dehnen. Wenn Sie durch statisches Dehnen Ihren Muskeltonus entsprechend senken, wird Ihnen vielleicht schon einmal aufgefallen sein, dass Ihnen – in Abhängigkeit von der Intensität Ihres Dehnprogramms – Schnellkraftleistungen schwerer fallen.

Der Wohlfühlfaktor

Die Behandlung mit der FOAM-Roll kann sich außerdem sowohl psychisch, sowie scheinbar auf physisch auf die Leistungsfähigkeit bzw. besser gesagt die Leistungsbereitschaft auswirken. Bereits 2005 untersuchten Weerapong et al. die Wirkung von FOAM-Rolling auf Muskelkater. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass  das subjektive Schmerzempfinden durch Stimulation dicker Nervenfasern herabgesetzt wird. Durch verringertes Schmerzempfinden kann die individuelle Bewegungsbereitschaft gesteigert und eventuell die Regeneration und Leistung erhöht werden.

Fazit

Die Beweglichkeit kann, so wie es aussieht, tatsächlich sowohl akut, als auch chronisch durch FOAM-Rolling beeinflusst werden. Die Frage ist hierbei aber stets noch, in wie fern die Ergebnisse psychischer und und wie fern sie physischer Natur sind. Andere motorische Fähigkeiten werden wohl weniger tangiert. Methodisch betrachtet findet sich übrigens neben der Sammlung von Methoden zum Faszientraining bei Allyouneed auch noch einmal eine praxisorientierte Erklärung des Faszientrainings mit Schritt für Schritt Anleitung. Da Beweglichkeit aber auf eine Art Metafaktor für die sportliche Leistung ist -wobei es auf die Disziplin ankommt- kann eventuell auch hier der Einsatz der FOAM-Roll Sinn machen. Vor allem aber, um die individuelle Bewegungsbereitschaft zu erhöhen und Schmerzen nach Belastungen zu reduzieren kann der Einsatz der Schaumstoffrolle nützlich sein. Das gilt z.B. für intensive Trainingslager, wo zwangsweise die Regeneration etwas aus der Strecke bleibt.