Esoterik in Ernährung und Sport – oder: Wie werde ich schnell mein Geld los?
Die Überschrift dieses Artikels ist durchaus provokant gewählt, soll aber somit auch zur inneren kritischen Auseinandersetzung mit der Belegbarkeit der Wirkungen verschiedener Nahrungsergänzungsmittel, Diätkuren und ähnlichem führen. Zu verstehen ist dieser Artikel als allgemeine Zusammenfassung einer kritischen Sichtweise auf spezielle Nahrungsergänzungsmittel, unter anderem auch solche, die zusätzlich noch auf homöopathische „Wirkungen“ setzen. Stellen Sie sich auf eine etwas abstrakte Diskussion ein, da hier zuerst nicht auf ein spezielles Produkt eingegangen werden soll. Vielleicht kann dieser Text aber dazu beitragen, den Markt etwas kritischer zu betrachten.
Die selbsterfüllende Prophezeiung
Vielleicht haben Sie schon einmal von diesem Begriff gehört. Besser bekannt und so auch oftmals als Fachbegriff verwendet, ist dieses Konzept unter der englischen Bezeichnung „self-fulfilling prophecy“. Ein Begriff aus der Soziologie, der bereits seit über 100 Jahren Verwendung findet. [1] Gemeint ist damit, dass ein Ergebnis/Ereignis in der Zukunft durch direkte oder indirekte Mechanismen der Erwartung selbst bedingt und somit erst ausgelöst wird.
Das klingt jetzt erst einmal sehr abstrakt. Da wir uns hier mit der Ernährung und Sport auseinandersetzen wollen, stellen wir uns das Beispiel einmal anhand von Diätpillen vor. Die meisten Diätpillen auf dem Deutschen Markt sind faktisch mehr oder weniger wirkungslos. Würden sie tatsächlich eine gute Wirksamkeit zeigen, wäre ihr Einfluss auf den Stoffwechsel schnell so groß, dass sie zum verschreibungspflichtigen Medikament werden würden. Wenn Sie jedoch eine 80er Packung Pillen für ca. 30 Euro gekauft haben, wollen Sie schließlich auch, dass diese wirken. Dementsprechend achten Sie vermehrt auf Ihre sonstige Ernährung, machen die Portionen nicht ganz so groß und trinken weniger Softdrinks – schließlich wollen Sie den Erfolg der Kapseln nicht sabotieren – So landen Sie in einem Kaloriendefizit und nehmen ab – dank des Präparats natürlich.
Sinnlose Überdosis – Beispiel: Mittel für mehr Energie
Abgesehen von klassischen Trainingsboostern, die zwar mit Vorsicht zu nutzen sind, deren Wirksamkeit aber aufgrund des hohen Koffeingehalts und der Aminosäurezusammensetzung nicht abzustreiten ist, gibt es eine Reihe von Produkten – meist bei Herstellern, die auf Multi Level Marketing setzen – die mehr Energie versprechen. Für knapp 30 Euro lassen sich 175g von einem Pülverchen mit Vitamin C, Riboflavin und Niacin bekommen. Kenner wissen unter Umständen, um welche Produkte es geht. Kann das wirklich munter machen? Nein, sagt die Wissenschaft, denn erst bei einem Mangel an Vitaminen treten Probleme auf. Niacin findet sich in allen möglichen tierischen Produkten, aber auch in Kaffeebohnen. In Deutschland ist ein Mangel äußerst selten, eine Überdosis (z.B. durch Supplemente) kann aber Probleme (Hitze, Jucken, Leberschäden) hervorrufen. Wer nicht gerade strikt vegan lebt (und dabei auch nicht auf ausreichende Zufuhr durch z.B. Vollkorn achtet), schafft es in Deutschland eigentlich nicht, einen Mangel an Riboflavin zu erreichen. Immerhin können Sie hier auch keine Probleme bei Überdosis erwarten. Dass eine unnötige Überdosierung von Vitamin C weder das Immunsystem stärkt, noch sonst irgendwelche Vorteile hat, sollte mittlerweile landläufig bekannt sein.
Dies ist ist im Prinzip ein Start in die Welt der Placebos.
Placebos – unglaublich wirksam
Placebos können unglaublich wirksam sein. Selbst bei Operationen zeigte sich, dass 80% der Patienten sogar bei Placebo Operationen Besserung verspürten. Natürlich ist so ein Vorgehen hoch fragwürdig, an dieser Stelle soll es aber nur zeigen, wie stark der Placeboeffekt sein kann. Placebos wirken übrigens sogar dann, wenn man weiß, dass es sich um Placebos handelt [2]. Wenn man weiß, dass Placebos in der Medizin wirken, kann man davon ausgehen, dass sie auch in der Nahrungsergänzung „wirken“. So sind der Homöopathie auch hier die Türen geöffnet und die ernsthafte Wissenschaft hat es schwer. Wer glaubt oder glauben will, öffnet gerne freiwillig seine Geldbörse und irgendwie wirkt es dann ja doch. Wenn Sie aber Geld für ein Produkt ausgeben, möchten Sie doch aber eigentlich, dass es auch einen tatsächlichen physiologischen Nutzen hat, nicht wahr?
Die häufigsten Argumente der Vertreter und Fans entsprechender Produkte sind oftmals:
„Probiere es doch erst einmal selbst aus!“
„Wer es nicht selbst probiert hat, kann nicht urteilen!“
„Bei mir funktioniert es!“
Diese Aussagen sind aber leider wissenschaftlich wertlos. Wenn Sie den bisherigen Artikel gelesen haben, werden Sie feststellen, dass der subjektive Eindruck nicht unbedingt durch die echte physiologische Wirkung des Produktes bedingt sein muss. Für eine aussagekräftige Studie bräuchte es eine möglichst große Versuchsgruppe, eine Kontrollgruppe und eine Placebogruppe. Laut neuer Gesetzgebung muss vor allem bei homöopathischen Zusätzen der Hinweis nicht nachgewiesener Wissenschaftlichkeit beim Einkauf vermerkt sein. Spätestens dann sollten Sie noch einmal nachdenken, wofür Sie da eigentlich Geld ausgeben wollen.
[1] Neurath (1911).Nationalökonomie und Wertlehre, eine systematische Untersuchung, Zeitschrift f. Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung,20, S. 52–114