Als Hypertrophie bezeichnen wir die Volumenzunahme eines Gewebes durch Vergrößerung des Zellvolumens. Im Gegensatz zur Hyperplasie, findet also keine Zellteilung zur Vermehrung von Zellen statt. Die Hypertrophie in der Muskulatur ist das, worauf es die meisten Trainierenden im Fitnessstudio wohl abgesehen haben – und zwar möglichst dauerhaft. In dem Zuge hat sich ein Dogma entwickelt, dass zwei Arten des Muskelaufbaus unterscheidet:
Bei der sarkoplasmatischen Hypertrophie kommt es in erster Linie zu einer Zunahme der intrazellulären Flüssigkeit in den Muskelzellen. Diese bezeichnet man auch als Sarkoplasma. Klassisches Hypertrophietraining – wie es etwa im Bodybuilding durchgeführt wird – soll in erster Linie zu einer Zunahme der sarkoplasmatischen Hypertrophie führen. Das sei wohl der Hauptgrund, warum Bodybuilder im Verhältnis zu ihrer Muskelmasse nicht so stark sind, wie z.B. Gewichtheber.
Dagegen steht die myofibrilläre Hypertrophie. Die Myofibrillen enthalten die Sarkomere als kleinste kontraktile Einheiten. Eine Zunahme dieser Myofibrillen sorge natürlich für mehr Kraft, liefert dabei aber wenig Volumen.
Wir wollen uns mit dieser These einmal näher beschäftigen…
Der Prozess, der eine Hypertrophie in unserer Muskulatur auslöst, ist ziemlich komplex und auch nicht vollständig erforscht. Eine wahrscheinlich entscheidende Rolle haben die sogenannten Satellitenzellen. Diese können zum einen z.B. gerissene Muskelfasern reparieren, aber auch zur Hypertrophie beitragen. Wird ein Trainingsreiz durch eine erhöhte mechanische Beanspruchung auf den Muskel gesetzt, ergeben sich kleine Beschädigungen in den Proteinstrukturen des Muskels. Dadurch können die Satellitenzellen aktiviert werden. Diese entstanden bei der Reifung der Muskelzellen, bei der aus der Verschmelzung mehrerer sog. Myoblasten Myotuben entstanden sind die an den äußeren Rand der Muskelfasern gewandert sind. Die Satellitenzellen enthalten immer noch einige Myoblasten, die letzten Endes die Reparatur oder sogar eine Superkompensation auslösen können.
Bei der Reparatur werden neue Eiweiße synthetisiert. Das braucht sowohl Energie, als auch Produktionsstätten. Das bedeutet, dass sich die Anzahl unserer Mitochondrien (Die Kraftwerke unserer Zelle) und die Anzahl der Ribosomen erhöht. Durch diese metabolischen Prozesse erhöht sich der Nährstoffumsatz in der Muskulatur. Das resultiert natürlich auch in einer erhöhten Menge an gelösten Stoffen. Um die Solutkonzentration auf gleichem Niveau zu halten, erhöht sich natürlich auch die Menge der intrazellulären Flüssigkeit – die Menge des Sarkoplasmas nimmt zu.
Wir erkennen also: Die sarkoplasmatische Hypertrophie ist also eine logische Folge der erhöhten Proteinsynthese aufgrund eines Trainingsreizes, der Reparatur oder Superkompensationsprozesse auslöst. Bedingt ist das Ganze durch Osmose durch die Zellmembran der Muskelzellen. Wasser kann in die Zelle eindringen, die Strukturproteine aber nicht aus der Zelle raus. So diffundieren netto mehr Wassermoleküle in die Zelle hinein, als aus der Zelle hinaus.
Nebenbei bemerkt: Aus ähnlichem Grund steigt der Wassergehalt unserer Muskulatur durch die Einnahme von Kreatin. Eine erhöhte Menge von Kreatinphosphat im Muskel wird durch eine erhöhte Menge an Flüssigkeit ausgeglichen, sodass die chemischen Prozesse weiterhin ablaufen können.
Einen großen Teil macht wohl die genetische Veranlagung aus. Vor allem geht es hierbei um die Zusammensetzung der Muskulatur in FT- und ST-Fasern. Je mehr FT-Fasern jemand in seiner Muskulatur hat, desto eher ist dieser jemand in der Lage, Übungen schnell und impulsiv auszuführen. Ein enormer Vorteil beim Gewichtheben. Die meisten von denen, die nicht mit einer guten genetischen Veranlagung in Bezug auf die Schnellkraft ausgestattet sind, werden sich kaum intensiver dem Sport des Gewichtshebens widmen – wer macht schon gerne einen Sport, bei dem er keinen Erfolg hat? Das ist eine bedeutende Verzerrung der Perspektive, der man sich bewusst sein muss.
Diese Perspektive lässt sich durchaus auch aus den Studien von Tesch und Larsson interpretieren, in der sie feststellen, dass die Zusammensetzung der Muskelfasertypen bei Bodybuildern eher denen von Sportstudenten und Normalverbrauchern entspricht und der Anteil der FT-Fasern bei Gewichthebern deutlich erhöht ist.
Bodybuilding ist im Gegensatz zum Gewichtheben ein wesentlich weiter verbreiter Sport. Dazu kommt noch, dass massives Doping gerade im Profibereich üblich ist – eine weitere Möglichkeit der Verzerrung.
Noch ein – oder wohl möglich der entscheidende – Unterschied ist die Bedeutung der intermuskulären Koordination. Während Bodybuilder in erster Linie eine übungsspezifische gute Ausprägung der Kraft und eine gute intramuskuläre Koordnination aufweisen, haben Gewichtheber eine deutlich besser ausgeprägte intermuskuläre Koordination, was Ganzkörperübungen betrifft.
Die Prozesse des Muskelaufbaus sind also bei Bodybuildern und Gewichthebern dieselben. Eine erhöhte Biosynthese von Proteinen ist in unserer Muskulatur gekoppelt mit einer Zunahme der intrazellulären Flüssigkeit. Myofibrille und sarkoplasmatische Hypertrophie gehen also Hand in Hand. Empfehlungen, mit 1-3 Wiederholungen z.B. speziell auf Myofibrille Hypertrophie zu setzen sind nicht sinnvoll. Hier spielt unser zentrales Nervensystem die entscheidende Rolle. Für das Training bedeutet das, dass Sie keine Angst haben brauchen, unfunktionelle Masse aufzubauen, wenn Sie im typischen Masseaufbau Bereich trainieren – solange das Training der koordinativen Fähigkeiten nicht zu kurz kommt.
(9065)
Tim 7 Jahren ago
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