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Kraft – Wie beeinflussen sich die verschiedenen Trainingsmethoden?

In der Physik ist Kraft ganz einfach definiert als Ursache einer Wirkung und ist somit das Produkt aus Masse und der auf sie wirkenden Beschleunigung. Im Sport reicht uns diese Betrachtungsweise aber nicht aus, denn Kraft kann auf sehr viele unterschiedliche Weisen auftreten und spezifisch trainiert werden. Kraftausdauer, Maximalkraft, Sprungkraft, Reaktivkraft, Kraftstoß, Schnellkraft… Da ist es gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten und schon gar nicht, alles gleichermaßen zu trainieren. Um den Trainingserfolg zu maximieren, sollten wir uns aber bewusst sein, wie die verschiedenen Arten von Kraft miteinander korrelieren, ganz nebenbei können wir dabei ein paar Mythen aus der Welt schaffen.

Maximalkraft

Wir beginnen an dieser Stelle mit der Maximalkraft, da diese die Grundlage für alle weiteren Kraftarten bildet. Die Maximalkraft ist der höchste Kraftvektor, der durch eine willentliche Kontraktion der Muskulatur entstehen kann. Nicht zu verwechseln ist die Maximalkraft mit der Absolutkraft, also die Kraft, die bei einem Krampf oder einer absoluten Notfallsituation entstehen kann.(Die autonom geschützte Reserve). In erster Linie hängt die Maximalkraft davon ab, wie viele Muskelfasern auf einmal rekrutiert werden können. Damit genug Energie bereit gestellt werden kann, müssen die ATP Speicher natürlich auch entsprechend groß sein. Genauso muss die Muskelfaser soweit hypertrophiert sein, dass sie den Belastungen auch standhält. Insgesamt ist die Maximalkraft also eine zusammengesetzte Größe, auch wenn unser zentrales Nervensystem hier die größte Bedeutung hat. Um die Maximalkraft spezifisch zu verbessern wird mit hohen Belastungen über kurze Zeiträume (1-5 WDH) trainiert. Aber auch ein Training mit mehr Wiederholungen verbessert die Maximalkraft, wenn auch nicht in diesem Maße.

Hypertrophie und Kraftausdauertraining

Ein Hypertrophietraining(ca. 6 bis 12 WDH, je nach Tempo) zielt in erster Linie auf die Verdickung der Muskelfasern ab. Mehr Durchmesser bedeutet natürlich auch mehr Belastungsfähigkeit. Die potentiell übertragbare Kraft ist damit natürlich größer. Und damit können wir an dieser Stelle auch schon mit einem Mythos aufräumen. Bodybuilder – auch die eindeutig gedopten – sind stark und haben nicht einfach nur dicke nutzlose Muskeln. Abgesehen von wenig ästhetischen Versuchen mit Synthol, nimmt mit dem Muskelquerschnitt auch die Maximalkraft zu. Im Vergleich zu Gewichthebern erscheinen sie zwar teilweise schwächer, das liegt aber vor allem auf an der Spezifikation auf bestimmte Übungen und der Tatsache, dass beim Gewichtheben vor allem Technik und Schnellkraft eine besondere Rolle spielen.

Kraftausdauertraining hat keinen so direkten Einfluss auf die Maximalkraft, wenngleich es die Bildung von Kapillaren in der Muskulatur fördert. Das resultiert letzten Endes in einer besseren Durchblutung und damit einer besseren Nährstoffversorgung des Gewebes. Man kann also durchaus behaupten, dass eine gut ausgeprägte Kraftausdauer sich positiv auf die Entwicklung der maximalen Kraftleistung und den Muskelaufbau auswirkt. Der individuelle Kraftausdauerbereich ist übrigens auch durch die Maximalkraft bedingt und liegt bei etwa 60% des Gewichtes des Ein-Wiederholung-Maximums. Jedoch gibt es auch hier je nach Sportler enorme Unterschiede je nach Muskelgruppe. Leichtathleten können z.B. meist wesentlich mehr des 1 WDHmax auf der Beinpresse im Bereich von ca. 20 WDH bewegen als z.B. bei Isolationsübungen wie Bizeps Curls.

Schnellkraft, Reaktivkraft, Sprungkraft

Außerhalb des klassischen Fitnesstrainings spielen im Sport oft die Begriffe Schnellkraft, Reaktivkraft und Sprungkraft eine Rolle. Letztere zwei lassen sich insgesamt der Schnellkraft unterordnen. Letzten Endes geht es immer um einen Kraftstoß, dieser soll entweder maximal groß oder – bei zyklischen Bewegungen – optimal groß sein, um die höchst mögliche Geschwindigkeit zu erzeugen.

So lässt sich auch schon der erste Zusammenhang erkennen. Je höher die Maximalkraft, desto höher die Kraft, die pro Zeiteinheit übertragen werden kann. Kein Wunder eigentlich, mehr Leute in der Galeere lassen sie auch schneller fahren; genauso erzeugen mehr gleichzeitig rekrutierte Muskelfasern den größeren Kraftstoß. Und tatsächlich, es lässt sich immer wieder feststellen, dass gute Kraftfreikämpfer und Gewichtheber oft erstaunlich schnell im Sprint sind – vor allem auf den ersten Metern, bis das Laktat ihre Leistung reduziert, weil sie es nicht gewohnt sind.

Maximalkraft allein reicht jedoch nicht aus. Dynamische Schnelligkeit erfordert ein optimales Zusammenspiel zwischen Muskulatur und Nervensystem. Hier ist vor allem plyometrisches Training empfehlenswert – noch mehr jedoch die Zielübung, sei es der spezifische Sprung oder der Sprint – nur so wird das neuromuskuläre Zusammenspiel optimiert.

Exkurs

Joggen für Sprungkraft, Schnelligkeit und trainierte Beine?

Zuletzt wollen wir noch auf einen speziellen Mythos eingehen, der sich immer noch lange hält. Motiviert gehen viele Sportler laufen – in der Hoffnung, dadurch stärkere Beine zu bekommen und somit auch Ihre Schnelligkeit zu verbessern. Hier sollten Sie Acht geben, denn unter Umständen kann das Gegenteil passieren. Nichts gegen Laufen grundsätzlich – es ist und bleibt eine der effektivsten Ausdauersportarten, aber: Unsere Muskulatur besteht grob unterteilt in Typ I und Typ II Muskelfasern. Speziell die Typ II Muskelfasern unterscheiden sich noch einmal. Für unsere Schnellkraft sind in erster Linie die Typ II Fasern verantwortlich – eben die schnell zuckenden Fasern. Zwar ist die Verteilung grundsätzlich genetisch determiniert, allerdings können einige der Typ 2 Muskelfaser-Unterarten die Aufgaben der Typ I Fasern übernehmen. Diese stehen dann- zumindest vorerst- nicht mehr für die Schnellkraft zur Verfügung. So kann sich ausgedehntes Ausdauertraining eben negativ auf die Schnellkraftleistung auswirken. Wichtig ist, dass Sie das nicht falsch interpretieren. Ein bis zwei Ausdauereinheiten von etwa 10 Km pro Einheit pro Woche werden keinen gravierenden Einfluss haben, vielmehr profitieren Sie von der Stärkung Ihres Herz- Kreislaufsystems. Wenn Sie aber Ihre Schnellkraft spezifisch trainieren wollen, sollten sie das auf anderem Wege tun.