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Kinder im Kampfsport? Gut für die Entwicklung?

Viele Eltern schicken ihre Kinder so früh wie möglich in eine Kampfsportschule oder in einen Verein, um eine Kampfsportart zu erlernen, damit sie sich frühzeitig selbst verteidigen können, Selbstbewustsein aufbauen und Disziplin lernen. So viel vorab: Vergessen Sie den Teil mit der Selbstverteidigung. Bis sich Kinder wirklich effektiv selbst verteidigen können, sind sie schon fast erwachsen oder zumindest in der Pubertät. Und gegen andere Kinder braucht es üblicherweise keine echte Selbstverteidigung. Machen Sie sich nicht die Illusion, dass Ihr Kind sich gegen Erwachsene verteidigen können soll.

Wieder andere Eltern versuchen ihre Kinder mit allen Mitteln vom Kampfsport fern zu halten. Denn sie predigen ihnen immer, dass Gewalt nicht gut ist und genau eben diese wird, wenn auch in kontrollierter Form, im Kampfsport am Partner ausgeübt. Das kann doch nur aggressiv machen.

Tut Kampfsport Kindern also gut? Wie wirkt es sich auf die soziale, motorische und kognitive Entwicklung aus? Und welche Kampfsportart sollte es sein?

Welche Kampfsportart für Kinder?

Welche Kampfsportart für Kinder geeignet ist, kann so leider nicht beantwortet werden. Jede Kampfsportart kann kindgerecht unterrichtet werden – selbst MMA(Auch, wenn das in diesem Fall oft nicht getan wird.)!

Traditionelle Kampfsportarten wie Taekwondo oder Karate bieten den Vorteil, dass meistens auf Disziplin und Umgangsformen besonderen Wert gelegt wird. Kinder trainieren meist im Nullkontakt-Modus, sodass das Verletzungsrisiko äußerst gering ist. Wichtig ist hier aber besonders, wie der Unterricht gestaltet wird. Klassisches „Kihon-Bahnen-Laufen“, wie es im Karate oft vorkommt, mag zwar sinnvoll für die Perfektionierung der Technik sein, ödet Kinder aber schnell an. Wenn Ihr Kind nur mit Widerwillen zum Sport geht, weil es keinen Spaß daran findet, bringt auch das beste Techniktraining nichts! Kindertraining hat eben seine ganz speziellen eigenen Anforderungen.

Boxen oder Kickboxen werden auch im Kindertraining zunehmend beliebter. Auch hier erlaubt das Regelwerk der meisten Verbände sogar Wettkämpfe mit nur minimalem Kontakt. Je Fortgeschrittener die Kinder sind, desto mehr Kontakt ist möglich, ob man das möchte, hängt aber davon ab, auch auch die Kinder das wollen!

Da hier vermehrt mit Partnern trainiert wird, ist der soziale Umgang mit anderen Kindern meist deutlich größer. Kinder können normalerweise sehr wohl zwischen einem sportlichen Kampf und einer realen Auseinandersetzung unterscheiden. Die Kämpfe verlaufen meist eher spielerisch.

Motivation ist alles

Die wenigsten Kampfsportschulen und Vereine fahren jedes Wochenende auf einen Wettkampf, sodass es mit dem wöchentlichen Fußball Punktespiel vergleichbar wäre. Kinder brauchen aber Erfolge, um motiviert am Ball zu bleiben. Gürtelprüfungen bieten den entsprechenden Reiz zur Motivation. Im Gegensatz zu Erwachsenen sollten Kinder nicht ganz so kritisch beäugt werden. Ein guter Trainer lässt nur diejenigen zu der Gürtelprüfung zu, bei denen er sich sicher ist, dass diese auch bestehen. Nichts ist demotivierender für ein Kind, als das Durchfallen durch eine Gürtelprüfung. Viele Kinder verlieren an dieser Stelle gänzlich die Motivation für ihren Sport. Die Kinder sollten aber auch nicht das Gefühl haben, dass es den Gürtel geschenkt gibt. Er sollte immer eine Belohnung für die Leistung sein. Eine gute Schule / ein guter Verein findet einen passenden Mittelweg.

Soziale Entwicklung

Einige Kampfsportarten arbeiten mehr mit Übungspartnern als andere. Letzten Endes bleiben aber alle Kampfsportarten Individualsportarten. Gemeinsame Aktivitäten  mit der Gruppe abseits des Trainings sind deshalb sehr wichtig.

Bei kleineren Raufereien auf dem Schulhof wissen Kinder aus dem Kampfsport oft besser, ab wann es wirklich ernst wird und wo die Grenze ist, jemand anderen wirklich zu verletzen. Denn wir dürfen nicht vergessen: Gerade bei Jungen gehören kleinere Raufereien zur Entwicklung dazu. Ob Kampfsportler oder nicht. Eine vernünftige Kampfsportschule legt obersten Wert darauf, dass die erworbenen Fähigkeiten nicht dazu da sind, andere unnötig zu verletzen. Das Bedeutet aber nicht, dass das Kind nicht auch die übliche Entwicklung durchmachen muss, wie es andere auch tun.

Was den Teamgeist angeht, sind Manschaftssportarten, wie z.B. Fußball, Handball oder Basketball dem Kampfsport mit Sicherheit überlegen.

Motorische und kognitive Entwicklung

Motorische und kognitive Entwicklung sind eng miteinander verknüpft. Kampfsport fördert vor allem die rechts/links-Kommunikation der beiden Gehirnhälften. Kinder aus dem Kampfsport stellen sich oft bei motorisch anspruchsvollen handwerklichen Aufgaben besser an. Auch die Konzentrationsfähigkeit profitiert davon. Motorische Grundfähigkeiten, vor allem die Beweglichkeit und Koordination sind bei Kampfsportlern üblicherweise deutlich ausgeprägter und legen den optimalen Grundstein für eine spätere Entwicklung. Es entstehen seltener Beweglichkeitsdefizite und muskuläre Dysbalancen als bei Mannschaftssportarten.

Gerade, wenn jemand seit seiner Kindheit nur eine Mannschaftssportart ohne Ausgleich trainiert hat, ist es schwer, entsprechende Defizite wieder aufzuarbeiten. Das soll an dieser Stelle keineswegs Mannschaftssportarten herabwerten – diese fördern nämlich speziell positiv die Leistungsfähigkeit des Herz- Kreislaufsystems und das räumliche Verständnis – das Training im Kampfsport ist nur üblicherweise vielseitiger, als das in den Mannschaftssportarten.