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Ausdauer – Die verschiedenen Arten und Begriffe

Was ist eigentlich Ausdauer? Um die Ausdauerleistungsfähigkeit sinnvoll verbessern zu können, macht es Sinn, erst einmal ein grundlegendes Verständnis über diese motorische Fähigkeit zu erzeugen. Dieser Artikel soll einen Beitrag dazu leisten.

Was ist Ausdauer?

Ein Pärchen geht gemeinsam spazieren. Sie sind schon einige Stunden unterwegs. So langsam jammert der eine „Ich kann nicht mehr.“ und setzt sich auf die Bank. Gleichzeitig sieht man zwei Kinder im Park fangen spielen. Bereits nach wenigen Metern wird ein Kind langsamer und vom anderen gefangen. Der Blick schweift weiter: Auf dem Fluss rudern zwei Männer um die Wette. Beide machen erschöpft Pause. Als einer der beiden schon wieder los will, hört man vom anderen nur „Bist du verrückt? Ich brauche noch Pause!“ Welches dieser Beispiele ist nun ein besseres Beispiel für unterschiedlich ausgeprägte Ausdauer? Alle drei, um genau zu sein, denn:

Unter Ausdauer versteht man die Widerstandsfähigkeit gegen Ermüdung, sowie die Fähigkeit zur Erholung.

Dabei bezieht sich diese Angabe erst einmal gar nicht zwangsweise auf die Leistung der Lungen oder anderen Komponenten des Herz- Kreislaufsystems und bezieht sich auch nicht zwangsweise auf besonders lange Zeiträume. Wenn man tiefer in die Materie eintauchen will, muss man also zwischen verschiedenen verschiedenen Arten der Ausdauer unterscheiden:


Allgemeine und lokale muskuläre Ausdauer

Hier unterscheidet man zwischen allgemeiner und lokaler Ausdauer. Denn es macht einen deutlichen Unterschied, ob jemand z.B. eine Menge Bizeps Curls am Stück hinlegen kann, oder ob er seinen ganzen Körper über einen längeren Zeitraum in Bewegung halten kann. Menschen, die einen sehr einseitig belastenden Beruf ausüben haben somit häufig eine gute lokale Ausdauer an den belasteten Muskeln, scheitern aber häufig trotzdem an Ganzkörperbelastungen. Um als allgemeine Ausdauer zu zählen, muss mehr als 1/6 der Muskulatur bewegt werden.


Statische oder dynamische Ausdauer

Auf muskulärer Ebene betrachtet kann eine Position unter Anstrengung auch statisch gehalten werden. Solche Belastungsformen können z.B. beim Klettern besonders relevant werden. Die meisten Ausdauersportarten fordern aber besonders dynamische Ausdauer.


Art der Energiebereitstellung

Man unterscheidet hier zwischen aerober und anaerober Ausdauerleistung. Bei der aeroben Ausdauerleistung greift der Körper in erster Linie auf die Energie aus Kohlenhydraten und Fett zurück und ist ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Bei niedriger und besonders langer Belastung liegt der Schwerpunkt der Energieträger im Rahmen der Lipolyse auf den Fetten; ist die Belastung etwas höher, liefert die Glykolyse Energie aus Kohlenhydraten. Bei der anaeroben Ausdauerleistung stellt der Körper die Fettverbrennung in den Hintergrund und geht eine Sauerstoffschuld ein. (Achtung: Das bedeutet nicht, dass sich nur aerobes Training zum Fettabbau eignet.) Der Körper bildet Laktat, welches nicht sofort abtransportiert werden kann (verantwortlich für das Brennen im Muskel), die Glykolyse und somit die Grundlage für die Energieversorgung kommt zum erliegen. Damit ist keine weitere Bewegung möglich.


Sportspezifität

Die grundlegende Leistung des Herz- Kreislaufsystems adaptiert auch sportartübergreifend. Ein vergrößertes Herz und eine leistungsfähigere Lunge sorgen vor allem bei längeren Belastungen für höhere Leistungen. Die Leistungen aus dem Laufen lassen sich aber nicht zwangsweise auch auf das Schwimmen übertragen. Wenn die Arme schlapp machen, bevor die Kapazitäten des Herz- Kreislaufsystems aufgebraucht sind oder wenn die Bewegungsmuster unökonomisch sind, kann auch der beste Läufer keine Bestleistungen im Schwimmen bringen.


Zeitlicher Faktor

Hier wird zwischen Kurzzeitausdauer (KZA), Mittelzeitausdauer (MZA) und Langzeitausdauer (LZA) unterschieden.

  • KZA: 35 Sekunden – 2 Minuten
  • MZA: Bis 10 Minuten
  • LZA: >10 Minuten

Wichtig:  Die meisten Faktoren, die wir als „Ausdauer“ messbar machen, sind von vielen konditionellen und koordinativen Faktoren beeinflusst. Jemand mit hohen Kraftwerten wird mittlere  dynamische Belastung wahrscheinlich zumindest muskulär länger aufrechterhalten können als jemand mit niedrigeren Kraftwerten. Auch gibt es Mischformen, wie z.B. Kraft- und Schnelligkeitsausdauer. Wenn jemand keine gute Technik zeigt, wird er sein Herz- Kreislaufsystem wahrscheinlich mehr belasten als jemand mit optimierter Technik- somit spielen auch koordinative Aspekte eine Rolle.




Training an der aeroben und anaeroben Schwelle

Wie ihr bereits in Erfahrung bringen konntet, kann unser Körper uns auf verschiedene Arten Energie bereitstellen, die uns für sportliche Leistungen zur Verfügung steht.

Im normalen unbelasteten Zustand oder bei leichter Ausdauerbelastung geschieht dies vor allem aerob. Wird die Belastung intensiver, ist die aerobe Form der Energiegewinnung schlichtweg zu langsam, um ausreichend neues ATP, welches für die Bewegung notwendig ist, zu synthetisieren.

Die Phosphate des anaerob-alaktaziden Stoffwechselweges sind aber schnell aufgebraucht und das Laktat, das als Endprodukt der Milchsäuregährung beim anaerob-laktaziden Stoffwechselweg entsteht, führt irgendwann zu starkem Brennen in der Muskulatur und kann auch Übelkeit verursachen – Das ist übrigens der Grund, warum ein intensives Intervalltraining durchaus temporäre Übelkeit verursachen kann. Kann kein weiteres Pyruvat (Das Endprodukt der Glykolyse) mehr durch Milchsäuregährung in Laktat umgewandelt werden, kann auch durch die Glykolyse keine weitere Energie mehr bereitgestellt werden. Die Umwandlung von Pyruvat zu Laktat liefert selbst keine Energie, sondern beseitigt in erster Linie die Endprodukte der (ATP liefernden) Glykolyse, deren Endprodukt normalerweise in den aeroben Stoffwechsel übergeht.

Aerober und anaerober Stoffwechselweg im Vergleich. Häuft sich das Laktat am Ende des anaeroben Stoffwechselweges, kommt auch die Glykolyse zum Erliegen, da das Pyruvat nicht beseitigt werden kann.

Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der aeroben und anaeroben Schwelle deutlich.

Denn Schritt der Glykolyse muss jedes zur Verfügung stehende Zuckermolekül zuerst einmal durchlaufen – egal, mit welcher Intensität wir uns belasten. Lediglich die bei geringer Belastungsintensität und extensiver Trainingsmethode vermehrt verwendeten Fette steigen nach der Lipolyse in Form von Acetyl-CoA direkt in den aeroben Stoffwechsel ein.

Aerobe Schwelle

Bis zur aeroben Schwelle ist die Belastung so niedrig, dass der Schritt der Milchsäuregährung nicht notwendig ist, da das Pyruvat ausreichend durch den aeroben Stoffwechselweg verbraucht wird. Die Laktatkonzentration an der aeroben Schwelle liegt bei etwa 2 mmol/l. Man spricht auch vom Sauerstoff-Steady-State. Trainiert man im Bereich dieser Schwelle, befindet man sich bei einer Herzfrequenz von ca. 120-140. Das typische „Laufen ohne Schnaufen“ charakterisiert ein Training bis zu dieser Schwelle.

Übergangsbereich

Steigt der Energiebedarf der Muskulatur an, wird zusätzliche Energie durch vermehrte Glykolyse benötigt: Die Milchsäuregährung setzt ein. Bis zu diesem Punkt ist unser Körper aber in der Lage, das Laktat kontinuierlich wieder abzubauen (Man befindet sich dann im sogenannten Übergangsbereich zur anaeroben Schwelle). Bis zu 4 mmol Laktat/l befindet man sich in diesem Übergangsbereich. Solange kann man davon ausgehen, dass unser Körper mit dem Abbau des Laktats „hinterher kommt“.  Man spricht auch vom Laktat-Steady-State.

Anaerobe Schwelle

Bei der anaeroben Schwelle (>4mmol/l) ist dieses Gleichgewicht nicht mehr gegeben. Der Laktatspiegel steigt immer weiter an. Irgendwann kommt es deshalb zum Leistungseinbruch, weil die Glykolyse zum Erliegen kommt.

Training vor diesem Hintergrundwissen

Aus dem bisherigen Wissen lässt sich ableiten:

Je höher die Belastungsintensität ist, bei der die anaerobe Schwelle überschritten wird, desto höher ist die aerobe Leistungsfähigkeit.

Der folgende Graph zeigt die typische Verschiebung der anaeroben Schwelle durch Training.

Wie erreichen wir also ein verschieben der anaeroben Schwelle? Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten:

#1 Erhöhen der aeroben Kapazität und Erhöhen der aeroben Schwelle

Durch ein Training der Grundlagenausdauer mithilfe der Dauermethode kann die Leistungsfähigkeit des aeroben Stoffwechselweges erhöht werden. Somit kann mehr Energie zur Verfügung gestellt werden, bevor zusätzliche Energie aus anaeroben Stoffwechselwegen notwendig wird.

#2 Schwellentraining fördert die Fähigkeit des Laktatabbaus

Durch ein Intervalltraining oder Fahrtenspiele an der anaeroben Schwelle wird die Fähigkeit zum Laktatabbau gefördert. Der Übergangsbereich zwischen aerober und anaerober Schwelle vergrößert sich somit.

#3 Training der Laktattolerenz

Mit einem Training überhalb der anaeroben Schwelle (HIIT, Belasten bis zum Leistungseinbruch) wird zwar auch die Fähigkeit des Laktatabbaus gefördert, in erster Linie aber die Laktattoleranz erhöht. Genau genommen bewirkt eine erhöhte Laktattoleranz keine Verschiebung der anaeroben Schwelle, verschiebt aber den Zeitpunkt des Leistungseinbruchs nach hinten. Das kann z.B. die Fähigkeit zum Schlussspurt beim Cooper Test deutlich verbessern.

 




Die Dauermethode

Die Dauermethode zielt in erste Linie darauf ab, die Leistung der aeroben Wege der Energiebereitstellung zu erhöhen. Dabei ist die Belastung durch langanhaltende Belastungsabschnitte ohne Pausen gekennzeichnet. Eine Belastungsdauer von mindestens 20 Minuten bis zu 1 1/2 Stunden ist für ein typisches Training auf Basis der Dauermethode anzusetzen. Grundsätzlich lässt sich auch ein Training mit der Dauermethode unterschiedlich gestalten. Man unterscheidet dabei zwischen kontinuierlicher (extensive /intensive) und variabler Dauermethode. Die variable Dauermethode kann gezielt variabel erfolgen oder aufgrund des der äußeren Gegebenheiten (z.B. Gelände) zwangsweise variabel  gestaltet sein. Im Folgenden sollen die verschieden Varianten der Dauermethode kurz charakterisiert werden.


Kontinuierliche Dauermethode

Die kontinuierliche Dauermethode wird in einigen Fachkreisen auch als Grundlagenausdauer 1 und Grundlagenausdauer 2 bezeichnet (Kurz: Ga1 / Ga2). Um genauer zu verstehen, was sich dahinter verbirgt, sind jedoch die unten stehenden Begriffe besser geeignet.

Extensive Methode

Dauer: Mindestens 30 Minuten (eher deutlich länger, bis mehrere Stunden)

Distanz: 5-35 km

Subjektive Belastung: Leicht bis Mittel (Laufen ohne Schnaufen!)

Geschwindigkeit: langsam (60-80% der maximalen Geschwindigkeit)

Herzfrequenz: 65-75% der maximalen Herzfrequenz

Energiegewinnung: innerhalb des Bereichs der aeroben Schwelle (Laktat: ca. 2 mmol/l)

% der maximalen Sauerstoffkapazität: 45-70%

Zusammenfassung des Trainingseffektes:

Die Durchblutung der Muskulatur wird verbessert. Dadurch eignet sich ein solcher Lauf auch als Regeneration nach intensiven sonstigen Sporteinheiten. Das Herz- Kreislaufsystem arbeitet ökonomischer und verbraucht somit bei Belastung weniger Energie, die nicht für Bewegung genutzt werden kann. Je nach Länge des Laufs wird besonders die Fähigkeit der Energiegewinnung aus Kohlenhydraten (Glykolyse) oder bei besonders langen Läufen die Energiegewinnung aus Fetten (Lipolyse) gefordert.

Intensive Methode

Dauer: Mindestens 20 Minuten bis 2 Stunden

Distanz: 5-20 km

Subjektive Belastung: mittel bis schwer

Geschwindigkeit: mittel (80-90% der maximalen Geschwindigkeit)

Herzfrequenz: 75-85% der maximalen Herzfrequenz

Energiegewinnung: innerhalb des Bereichs der anaeroben Schwelle (Laktat: ca. 3,5 mmol/l)

% der maximalen Sauerstoffkapazität: 75-85%

Zusammenfassung des Trainingseffektes:

Durch vermehrte Bildung von Kapillaren wird die Blutversorgung der Muskulatur langfristig verbessert. Je höher die Intensität ist, desto eher kommt es auch zu einer Vergrößerung des Herzmuskels. Die Folge ist ein mit jedem Herzschlag vergrößertes Pumpvolumen. Im Gegensatz zur extensiven Methode kommt es auch zu einer Verbesserung der maximalen Sauerstoffkapazität. Ebenso können die Glykogenspeicher (Kohlenhydratspeicher der Leber) besser genutzt werden. Auch der Abbau des angesammelten Laktats geschieht schneller, wodurch sich die anaerobe Schwelle verschieben kann.


Variable Dauermethode

Dauer: Mindestens 1 Stunde, bis zu 3 Stunden

Distanz: 10-30 km

Subjektive Belastung: leicht bis schwer

Geschwindigkeit: variabel (60-90% der maximalen Geschwindigkeit)

Herzfrequenz: Wechsel zwischen <75% bis zu 90% (aber keine Pausen)

Energiegewinnung: Regelmäßiger Wechsel zwischen aerober Schwelle (2mmol/l) und überschreiten der anaeroben Schwelle (ca. 5 mmol/l)

% der maximalen Sauerstoffkapazität: 45-85%

Beschreibung des Ablaufs: Im Rahmen von Fahrtenspielen wird die Geschwindigkeit immer wieder variiert. Das können längere Zyklen mittlerer Geschwindigkeit oder kürzere Zyklen mit schneller Geschwindigkeit sein. Auch die Wahl eines entsprechenden Geländes oder Lauftechniken, die die Intensitäten automatisch vorgeben, ist möglich. Indoorcycling Kurse bedienen sich z.B. auch dieser Methode – unter anderem auch, um Abwechslung zu schaffen.

Zusammenfassung des Trainingseffektes:

Die grundsätzlichen Effekte der intensiven kontinuierlichen Dauermethode treten hier auch auf. Zusätzlich kommt es zu einem verbesserten Umschalten zwischen aeroben und anaeroben Stoffwechselprozessen. Besonders in den langsameren Laufphasen wird der Abbau des Laktats gefördert.