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Dehnen – Die verschieden Methoden in der Übersicht

Dies ist der Artikel Nr. 7 des Sport-Attack Beweglichkeitsspecials. Alle Artikel des Specials:

Zusammenfassung der Methoden des Beweglichkeitstrainings

Methode Ziel Muskeltonus Anmerkung/Durchführung
Statisches Dehnen, passiv Erhöhung der maximalen Gelenkreichweite, senken der Schutzreflexschwelle, Entspannung, Dauerhafte Verbesserung der passiven Beweglichkeit. Die Dehnposition statisch halten.
Statisches Dehnen, aktiv Erhöhung der maximalen Gelenkreichweite, Kräftigung des Antagonisten, Erhöhung der aktiven Beweglichkeit.

Gedehnter Muskel –

Kontrahierender

Muskel +

Die Dehnung wird durch Anspannung des Gegenspielers erreicht. AC Stretching steht für Antagonist Contract Stretching. Durch Kontraktion des Antagonisten wird die unwillkürliche Spannung des zu dehnenden Muskels reduziert und die Dehntoleranz erhöht. Antagonist des zu dehnenden Muskels wird trainiert.
Dynamisches Dehnen passiv Temporäre Erhöhung der Beweglichkeit, Erwärmung, Erhöhung der Muskelvorspannung + Leichte wippende Bewegungen, keine Zerrgymnastik! Passiv z.B. durch Ausnutzen der Schwerkraft oder Lehnen an Gegenständen.
Dynamisches Dehnen aktiv Sportartspezifische Erwärmung, Temporäte Erhöhung der Schwingungsweite. Verbesserung der aktiven Beweglichkeit durch Kräftigung. + Wippende Bewegungen durch aktive Muskelkontraktion. Nicht massiv mit Schwung arbeiten.
Postisometrisches Dehnen Dauerhafte Verbesserung der Beweglichkeit. Passiv beim Basic und aktiv/passiv bei CRAC.

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CRAC:

Antagonist +

Basic:

Den zu dehnenden Muskel ca. 10 Sekunden intensiv anspannen und beim Lösen sofort die Dehnung verstärken.

Nur für erfahrene Sportler geeignet.!

CRAC(Contract, Release, Antagonist Contract)

Ausführung wie bei der Basic Methode, nur dass zusätzlich der Antagonist nach dem Lösen der Spannung im Agonist angespannt wird.

Gute Zusammenarbeit mit dem Partner notwendig, sonst herrscht erhöhte Verletzungsgefahr!

 




Methoden und Zielgruppen des Beweglichkeitstrainings

Dies ist der Artikel Nr. 6 des Sport-Attack Beweglichkeitsspecials. Alle Artikel des Specials:

In den letzen Artikeln des Beweglichkeitsspecials haben wir uns recht intensiv mit der Theorie und vor allem mit der Anatomie und Physiologie auseinander gesetzt, die unsere Beweglichkeit beeinflusst. An dieser Stelle soll jetzt darauf zurückgegriffen und auf entsprechende Methoden zur Beweglichkeitssteigerung für verschiedene Zielgruppen eingegangen werden.

Statisches Dehnen

Statisches Dehnen ist die wohl simpelste Methode zum Steigern der Beweglichkeit. Dabei wird die Dehnung einfach über einen längeren Zeitraum gehalten. So sinkt der Muskeltonus und der Widerstand des Muskels sinkt, was zu einer temporär erhöhten Beweglichkeit führt. Aufgrund der „Gewöhnung“ der Propriorezeptoren, speziell der Muskelspindeln, kommt es ebenfalls dauerhaft zu einem größeren möglichen Gelenkausschlag. Auch auf die Faszien wirkt sich statisches Dehnen aus. Um die fasziale Beweglichkeit zu verbessern, ist allerdings eine deutlich längere, geringere Dehnspannung notwendig.

Um die passive Beweglichkeit unserer Muskulatur zu verbessern, sollte die Dehnung mind. 40 sekunden bei recht intensiver Spannung gehalten werden. Unsere Faszien reagieren mit einer Beweglichkeitsverbesserung, wenn wir eine geringe Spannung etwa 2 Minuten halten.

Zielgruppen

In Sportarten, in denen eine hohe Beweglichkeit notwendig ist, ist statisches Dehnen sehr wichtig. Auch vor dem Training, denn viele Bewegungen werden über so  große Bewegungsradien ausgeführt, dass es zu hoher Muskeltonus oder ein zu früh einsetzender Dehnreflex zu Verletzungen führen kann. Der Umgang sollte aber vor dem Training maßvoll sein. Durch den sinkenden Muskeltonus reduziert sich die Schnellkraft und Reaktionsfähigkeit des Muskels. Das kann Gelenkverletzungen begünstigen und reduziert die Leistung.

Kurzes, statisches Dehnen nach anderen Sportarten bietet sich an, da ein niedrigerer Muskeltonus die Regeneration fördert. Zu viel davon kann aber einen eventuell auftretenden Muskelkater verstärken. Diesen Tonus senkenden Effekt kann man auch nutzen, um akute Verspannungen zu lösen.

Auch, um Beweglichkeitsdefizite dauerhaft zu beseitigen, ist passives Dehnen geeignet.

Wichtig: Passives Dehnen darf niemals die alleinige Therapie oder das alleinige Beweglichkeitstraining darstellen. Eine erreichte Form wird nur funktionell, wenn Sie auftretende Kräfte in jedem Gelenkwinkel kontrollieren können.

Statisches Dehnen mit dem Ziel der dauerhaften Beweglichkeitssteigerung sollte immer als eigene Einheit durchgeführt und vom normalen Training getrennt werden.

Dynamisches Dehnen

Dynamisches Dehnen bezeichnet beispielsweise leicht wippendendes Dehnen, Beinaufschwünge und Co.. Diese Art von Dehnungstraining ist vor allem dazu geeignet, die temporäre Beweglichkeit und den Muskeltonus zu erhöhen. Dynamisches Dehnen wird nur einige Minuten nach einem kurzen Aufwärmen ausgeführt und ist ein sinnvoller Bestandteil der Aufwärmphase von dynamischen Schnellkraftsportarten.

Zielgruppen

Dynamisches Dehnen ist nicht für jeden geeignet. Eine gewisse Grundsportlichkeit ist Voraussetzung, um die Spannung auf den Muskel korrekt einschätzen zu können. Dynamisches Dehnen eignet sich für so gut wie Sportart und kann zur Leistungsverbesserung und Verletzungsprophylaxe beitragen.

Zur Therapie von alltäglichen Bewegungseinschränkungen ist das klassische dynamische Dehnen eher weniger geeignet, da entsprechenden Patienten meist die sportliche Grundvoraussetzung fehlt.

Myofascial Release – Selbstmassage

Die Selbstmassage mithilfe von Schaumstoffrollen, Tennisbällen oder ähnlichem wird immer populärer. Dabei geht es speziell um das Lösen der Faszienverklebungen. Myofascial Release kann optimal von einem Physiotherapeuten durchgeführt werden. Mit einer Schaumstoffrolle kann jeder diesen Prozess bis zu einem gewissen Maße auch bei sich selbst durchführen. Da unsere Faszien wichtige informationsgebende Organe sind, können sich Faszienverklebungen deutlich negativ auf unsere Beweglichkeit auswirken. Viele sind erstaunt, wie viel diese Art von Training ausmachen kann.

Zielgruppen

Die Selbstmassage bietet sich eigentlich für absolut jede Zielgruppe an. Gelöse Verklebungungen führen zu einer erhöhten Funktionalität und Leistung unserer Muskulatur. Das kann unsere sportliche Leistung verbessern.

Aber auch Verspannungen und daraus resultierende Fehlhaltungen, die zu Schmerzen führen, können reduziert werden.

Funktionelles Krafttraining

Ohne funktionelles Krafttraining erreichen wir keine reale gute Beweglichkeit. Die funktionelle Beweglichkeit entsteht erst, wenn wir den uns zur Verfügung stehenden Bewegungsradius auch kontrollieren können. In wie weit wir die Struktur des Muskels wirklich verändern ist wohl individuell verschieden -im Teil über Bewegungseinschränkungen und Sarkomere wird darauf genauer eingegangen- Übermäßige passive Beweglichkeit ohne Funktionalität kann am Ende mehr schaden, als dass es Ihnen nutzt.

Auch das funktionelle Training an sich kann und wird Ihre Beweglichkeit verbessern. Funktionelles Training sorgt dafür, dass Ihre aktive Beweglichkeit möglichst nah an Ihre passive Beweglichkeit kommt. (siehe Aktive und passive Beweglichkeit)

Zielgruppen

Funktionelles Krafttraining ist eigentlich Pflicht für jeden. Je intensiver Sie andere Methoden nutzen, um Ihre Beweglichkeit zu verbessern, desto wichtiger ist funktionelles Krafttraining.




Die Bedeutung der Faszien für unsere Beweglichkeit

Dies ist der Artikel Nr. 5 des Sport-Attack Beweglichkeitsspecials. Alle Artikel des Specials:

Was sind Faszien überhaupt genau?

Faszien sind im Grunde wie ein dreidimensionales Netzwerk aus bindegewebsartigen Gitterstrukturen. Besonders wichtig dabei ist es für uns zu wissen, dass es sich dabei nicht bloß um eine passive Hülle handelt, sondern, dass unsere Faszien unsere Beweglichkeit auf verschiedene Arten und Weisen beeinflussen können. Sie beschränken sich nicht nur auf unsere Muskeln, sondern ziehen sich quasi durch fast alle Strukturen unseres Körpers.

Es ist tatsächlich sogar so, dass Faszien aktiv arbeiten können. Sie reagieren zwar nicht so schnell, wie unsere Skelettmuskulatur, sie sind aber in der Lage, sich aktiv anzuspannen und sich zu entspannen. Faszien enthalten außerdem viele hoch sensible Nervenenden. Sie können deshalb durchaus in der Lage sein, Bewegungen einzuschränken und Schmerzen zu verursachen.

Sie bestehen zu einem großen Teil aus Wasser. Speziell bei Neugeborenen mit einem Wasseranteil von teils über 80% stellen wir eine sehr gute Elastizität der Faszien fest. Der typischerweise sinkende Wasseranteil im Alter, der demnach zu einer sinkenden Elastizität der Faszien führt, ist also ein weiterer Grund für die Einschränkung der Beweglichkeit mit zunehmenden Alter.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie unsere Faszien unsere Bewegung begrenzen können und demnach auch mehrere Methoden, wie wir daran arbeiten können.

Einschränkende Faktoren und Behandlung

Faszienverklebungen

Faszien können mit dem umliegenden Gewebe verkleben. Solche Verklebungen führen natürlich zu akuten Bewegungseinschränkungen, die oft auch in Verhärtungen und Verspannungen der Muskulatur resultieren. Die meisten Verklebungen können selbst gelöst werden. Fascial Release ist das Stichwort. Mit Hilfe einer Schaumstoffrolle oder auch eines Tennisballs oder ähnlichen Equipment, können Sie selbst eine Tiefenmassage erreichen, die zu einem Lösen der Verklebungen führt.

Fasziendehnung

Faszien reagieren langsamer als unsere Muskulatur. Außerdem reagieren auch andere Bindegewebsstrukturen auf eine starke Überlastung beim Dehnen(„No Pain, No Gain“) mit einer Verdickung. Um eine Effektive Fasziendehnung, deren Wirkung lange vorhält, zu erreichen, nehmen wir eine Dehnposition ein, bei der wir nur eine ganz leichte Spannung spüren. Diese Spannung können wir bis zu 2 Minuten halten. Am Ende sollten wir also vielseitig Dehnen, um sowohl die Beweglichkeit unserer Muskulatur als auch unserer Faszien optimal zu fördern. Dazu aber mehr im Teil „Methoden des Beweglichkeitstrainings“.

Aktive Flexibilität

Sogar plyometrisches Training kann sich positiv auf die Faszienbeweglichkeit auswirken. Diese werden so optimal versorgt. Außerdem werden aktive Reize gesetzt. Es lässt sich feststellen, dass bei Menschen, die besonders aktiv sind, die Gitterstrukturen der Faszien weiterhin erhalten bleiben. Verkommen wir in Passivität, geht die geordnete Faserstruktur der Faszien verloren- unsere Beweglichkeit reduziert sich.

Je geräuschloser Sie sich bewegen, desto effektiver ist die Wirkung auf unsere Faszien, denn dann müssen diese wirklich arbeiten und der Druck wird nicht von der Muskulatur und passiven Strukturen, wie z.B. unseren Knochen, absorbiert. Kombinieren Sie dynamisches schwingendes(nicht gewaltvolles!!) Dehnen mit aktiven Kontraktionen für den größten Effekt.




Bewegungseinschränkung: Über Muskelverkürzungen und Sarkomere

Dies ist der Artikel Nr. 4 des Sport-Attack Beweglichkeitsspecials. Alle Artikel des Specials:

Auf welche Art und Weise kann unsere muskuläre Bewegung eigentlich eingeschränkt werden? – Es gibt auf jeden Fall nicht nur eine Art der Unbeweglichkeit, denn die Ursachen können vielseitig sein.

Weichteilblockaden

Wenn man dem Klischee „Krafttraining macht unbeweglich“ nachkommen will, ist diese Art der Unbeweglichkeit, die einzige, die sich aus dem Kraft- und Muskelaufbautraining ergeben kann. Durch eine Hypertrophie der Muskulatur kann es dazu kommen, dass bestimmte Gelenkwinkel einfach nicht mehr erreicht werden können, weil meist der agierende Muskel selbst die Bewegung durch sein Volumen limitiert. Das Problem kennen Kraftsportler z.B. mit dem „am Rücken Kratzen“ oder, wenn eine vollständige Armadduktion aufgrund eines sehr voluminösen Latissimus nicht mehr möglich ist. Sprinter oder andere Athleten aus dem Laufsport kennen unter Umständen das Problem der „schleifenden Adduktoren“.

Weichteilblockaden sind im Normalfall aber unproblematisch und der Vorteil der hinzugewonnenen Muskelmasse überwiegt dem Nachteil der leicht eingeschränkten Beweglichkeit. Gegenmaßnahmen sind meistens nicht erforderlich.

Nur, weil ein Muskel mehr Masse hat und deswegen kompakter erscheint, ist dieser nicht verkürzt. Im Gegenteil, diejenigen, die ihr Training mit sinnvollem System gestalten und über große Bewegungsradien trainieren, verfügen meist über eine besonders gut ausgeprägte Beweglichkeit.

Propriorezeptorische Einschränkungen

Propriorezeptorische Einschränkungen sind der Hauptgrund für die Unbeweglichkeit der meisten Menschen. Verantwortlich dafür sind vor allem die Muskelspindeln (Siehe: Anatomie-Teil des Beweglichkeits Specials). Wenn wir einen Bewegungsradius lange nicht nutzen, fällt der entsprechende Reiz auf die Muskelspindeln weg. Es handelt sich bei größeren Bewegungsradien nicht mehr um gewohnte Bewegungen. Ungewohnte Bewegungen interpretiert unser Körper aber immer als mögliche Gefahr für Verletzungen. Deshalb sorgt eine früher einsetzende Kontraktion des Muskels als Reaktion auf den Dehnungsreiz dafür, dass eine entsprechend ungewohnte Gelenkstellung nicht erreicht wird, auch wenn unser Muskel dazu strukturell in der Lage wäre.

Das hat auch seinen Sinn, denn in einer Position, die wir nicht regelmäßig einnehmen, haben wir nicht die koordinativen Grundlagen, um unseren Bewegungsapparat optimal zu kontrollieren und stabilisieren.

Beispiel Narkosemobilisation

Auch, wenn die Narkosemobilisation oft kritisiert wird, da sich die Beweglichkeit im nicht narkotisierten Zustand oft nicht verbessert, ist sie das beste Beispiel, um darzustellen, wie sich unsere strukturelle Beweglichkeit von der realen Beweglichkeit unterscheidet. Unter Narkose entfällt die Gegenspannung des Muskels. So kann dieser bis an sein strukturelles Maximum bewegt werden. Behandelt werden so z.B. Verklebungen oder andere Bewegungseinschränkungen(z.B. Kapselverdickung).

Strukturelle Länge des Muskels

Die strukturelle Länge eines Muskels ist definiert durch die Reihenschaltung an Sarkomeren. Sarkomere sind die kleinsten Funktionseinheiten unserer Muskulatur innerhalb einer Muskelfaser. Die einzelnen kleinen Elemente können kontrahieren oder in die Länge gezogen werden. Je mehr Sarkomere hintereinander in Reihe geschaltet sind, desto länger kann der Muskel werden.

In wie weit ist das trainierbar? Und in wie weit ist das überhaupt beim Menschen möglich?

Es lassen sich zu diesem Thema sehr viele unterschiedliche Ansichten finden. Versuche haben ergeben, dass eine strukturelle Veränderung der Muskulatur durch Vermehrung der Sarkomere in Reihenschaltung bei Ratten auf jeden Fall stattfindet. Ob das auf den Menschen übertragbar ist, ist nicht vollständig geklärt.

Dazu kommt aber noch, dass sich eine deutlich messbare Verringerung der Bündellänge der Muskeln älterer Menschen zeigt. Das lässt scheinbar auch auf die Möglichkeit der Änderung der strukturellen Länge des Muskels hindeuten.

Man geht davon aus, dass sich die strukturelle Länge am ehesten durch funktionelles und exzentrisches Krafttraining beeinflussen lässt.

Also gibt es Hyperplasie- die Vermehrung von Muskelzellen?

Ein Sarkomer ist nur eine Einheit innerhalb einer Muskelzelle. Eine Muskelzelle ist immer eine ganze Muskelfaser (auch Myozyt genannt). Eine Vermehrung der Sarkomere verändert also zwar die Zelle an sich, eine Hyperplasie würde das aber trotzdem nicht bedeuten.

Zusammenfassung

Wir müssen also letzen Endes davon ausgehen, dass die tatsächliche Beweglichkeit unserer Muskulatur ein Zusammenspiel struktureller Länger und propriorezeptorischer Hemmung ist, wenn wir davon ausgehen, dass es die Reihenschaltung von Sarkomeren tatsächlich gibt.

Was geht aber nun schneller? Strukturelle Veränderungen sind zumeist langsamer als Anpassungen in unserem Nervensystem. Der Großteil der Unbeweglichkeit ist deshalb wohl auf propriorezeptorische Hemmung zurück zu führen.

 




Aktive und passive Beweglichkeit

Dies ist der Artikel Nr. 3 des Sport-Attack Beweglichkeitsspecials. Alle Artikel des Specials:

Unsere motorische Fähigkeit der Beweglichkeit lässt sich grundsätzlich in aktive und passive Beweglichkeit unterteilen. Was bedeuten diese Unterschiede für unser Training? Welche Art von Beweglichkeitstraining lässt sich daraus ableiten?

Passive Beweglichkeit

sport karate girl doing splits with nunchaku, fitness woman silhouette studio shot over white background

Vorwärtsspagat- gute passive Beweglichkeit!

Passive Beweglichkeit ist die Fähigkeit, einen möglichst großen Gelenkausschlag, auch unter der Zuhilfenahme externer Kräfte einzunehmen. Zu externen Kräften zählen sowohl diverse Geräte, als auch einfach die Schwerkraft. Der klassische Spagat ist z.B. ein Merkmal sehr hoher passiver Beweglichkeit. Dazu zählen übrigens auch Haltungen, die erst durch Schwungvolle Bewegungen eingenommen und nicht aktiv gehalten werden können. Beispiel aus dem Kampfsport: Ein hoher Axe-Kick wird von den meisten Sportlern nur durch Schwung erreicht und ist demnach das Resultat passiver Beweglichkeit, auch wenn erst Aktivität nötig ist, um zu dieser Position zu gelangen, gelangt der Sportler doch nur durch den Schwung in die Endposition.

Die passive Beweglichkeit erhöhen wir in erster Linie durch klassisches passives Dehnungstraining. Auch die verschiedenen Methoden wird in dem letzen Artikel dieser Serie eingegangen.

Aktive Beweglichkeit

Man in dark practice martial art - high kick

Kicks brauchen eine gute aktive Beweglichkeit!

Als aktive Beweglichkeit wird die Fähigkeit bezeichnet, eine Gelenkstellung unter aktiver Muskelkontraktion ohne Schwung einzunehmen. Kann ein Kampfsportler beispielsweise einen Kick einen Moment auf entsprechender Höhe halten, lässt sich daran seine aktive Beweglichkeit messen.

Aktive Beweglichkeit ist für die meisten Sportarten wichtiger, als eine hohe passive Beweglichkeit. Denn nur, wenn in einer Gelenkstellung auch ein Kraftpotential vorhanden ist, kann Kraft sinnvoll übertragen werden.

Aktive Beweglichkeit trainieren wir, indem wir Krafttraining über möglichst große Bewegungsradien ausführen.

Dabei ist es wichtig, dass sowohl Agonist als auch Antagonist entsprechend trainiert werden, damit sie in jedem Gelenkwinkel ihrer Funktion optimal nachkommen können.

 

Grundsätzlich gilt: Die passive Beweglichkeit ist immer etwas größer als die aktive Beweglichkeit, Ziel sollte es sein, die aktive Beweglichkeit so nah wie möglich an die passive Beweglichkeit zu bringen. Einen Spagat zu können, bringt uns außer dem Selbstzweck nichts, wenn die aktive Beweglichkeit fehlt, um das Bein auch in diesem großen Bewegungsradius kontrolliert steuern zu können.

Ist die passive Beweglichkeit viel größer als die aktive, kann das zu Problemen mit der Gelenkstabilität führen, da unsere Muskulatur in großen Gelenkausschlägen dann nicht in der Lage ist, das Gelenk sinnvoll zu schützen. Schäden passiver Strukturen können die Folge sein.

Ist die passive Beweglichkeit zu sehr eingeschränkt, kann es zu Muskelverletzungen aufgrund von zu früh einsetzender Schutzspannung kommen.

Wir sollten in der Lage sein, unsere aktive Beweglichkeit passiv um ein gewisses Maß zu überschreiten. Je höher unsere passive Beweglichkeit ist, desto intensiver sollten wir aber auch an unserer aktiven Beweglichkeit arbeiten.




Grundlagen zur Beweglichkeit – Anatomie

Dies ist der Artikel Nr. 2 des Sport-Attack Beweglichkeitsspecials. Alle Artikel des Specials:

Als Kleinkind sind die meisten von uns noch sehr beweglich. Lediglich festgelegte passive Strukturen begrenzen unsere Beweglichkeit. Zunehmendes Alter und die Spezialisierung auf verschiedene Bewegungsmuster sorgen dafür, dass sich die motorische Fähigkeit der Beweglichkeit immer weiter zurückbildet.

Grundsätzlich: Das SAID-Prinzip gilt auch für unsere Beweglichkeit

SAID steht für specific adaptation to imposed demands und bedeutet, dass unser Körper sich immer den Anforderungen anpasst, die an ihn gestellt werden. Genauso heißt das aber auch, dass wir Fertigkeiten, die wir nicht benötigen, auch irgendwann wieder verlieren. Unser Körper ist eben ein Meister im ökonomischen Umgang mit Ressourcen. Für die Beweglichkeit bedeutet das, wenn wir uns an der Grenze unserer Beweglichkeit bewegen und volle Bewegungsradien regelmäßig nutzen und eventuell ein wenig darüber hinaus gehen, wird unser Körper sich der Belastung irgendwann anpassen und mehr Bewegung zulassen. Andersherum gilt das natürlich auch für einen Mangel an Bewegung. Bewegen wir unseren Muskel immer nur über einen Teil des möglichen Bewegungsradius, wird die Fähigkeit, größere Bewegungsradien zu nutzen wegrationalisiert.

Aber was genau beeinflusst eigentlich unsere Beweglichkeit? Sicher ist auf jeden Fall, dass nicht nur ein Kriterium für das Ausmaß unserer Beweglichkeit zuständig ist. Sowohl neurologische als auch morphologische Veränderungen verschiedenster Strukturen können Einfluss auf unsere Beweglichkeit nehmen. Deshalb sollten wir uns die Elemente unseres Körpers, die unsere Beweglichkeit begrenzen können einmal genauer ansehen.

Der passive Bewegungsapparat – Knochen, Gelenke, Bänder, Knorpel und Bandscheiben

Unser passiver Bewegungsapparat bestimmt das Maximum an erreichbarer Beweglichkeit. Das beste Beispiel für eine knöchernde Einschränkung der Beweglichkeit ist das Hüftgelenk. Es gibt durchaus viele Menschen, die aufgrund der knöchernen Struktur ihres Oberschenkelknochens niemals in der Lage sein könnten, einen Spagat auszuführen oder einfach nur eine überdurchschnittliche Beweglichkeit im Hüftgelenk zu erreichen. Aber auch durch Verletzungen oder Überlastung entstandene Verwachsungen können zu Beweglichkeitseinschränkungen führen, die sich, wenn überhaupt nur operativ beheben lassen.

Wird beispielsweise die Bandstruktur des Fußgelenks beschädigt, kompensiert unser Körper die beschädigten Bänder durch Narbengewebe. Dieses ist zumeist nicht so elastisch und funktionsfähig, wie das alte Band. Es kommt zu einer Verringerung der Beweglichkeit.

Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein. Wird beispielsweise ein Kreuzband im Kniegelenk beschädigt, kann unser Körper dieses nicht vollständig kompensieren. Es kommt die einer Überbeweglichkeit, die sich z.B. durch den sogenannten Schubladentest messen lässt. Es lässt sich somit schon an dieser Stelle festhalten, dass mehr Beweglichkeit nicht unbedingt immer besser ist. Kraft kann eben immer nur sinnvoll eingesetzt werden, wenn sie steuerbar ist.

Der aktive Bewegungsapparat

Propriorezeptoren – Die Muskelspindeln

Propriorezeptoren finden sich nicht nur in unserer Muskulatur, sondern auch in unserer Haut und unseren Gelenkkapseln. Die größte Bedeutung kommt aber wohl den Rezeptoren in unserer Muskulatur zu. Propriorezeptoren übermitteln Informationen über verschiedene Zustände unserer Muskulatur und Gelenkwinkel an unser Nervensystem und unser Gehirn. Für verschiedene Aufgaben haben wir verschiedene Rezeptoren.

Das Golgi-Sehnenorgan übermittelt Informationen über die aktuelle Spannung im Muskel und befindet sich am Übergang vom Muskel zu Sehne. Ruffini-Körperchen kommen in unseren Gelenkkapseln vor. Ihre Aufgabe ist es vor allem, Information über die Bewegungsgeschwindigkeit zu übermitteln. Vater-Pacini-Körperchen sorgen dafür, dass wir Vibrationen wahrnehmen können. Die neben dem Golgi-Sehnenorgan wichtigsten Rezeptoren, die Auswirkungen auf unsere Beweglichkeit haben, sind wohl die Muskelspindeln. Die Muskelspindeln sind dafür verantwortlich, den Dehnreflex auszulösen.

Was genau sind Muskelspindeln?

Muskelspindel ModellMuskelspindeln sind kurze Muskelfaserverbünde (5-10mm). Im zentralen Kern dieser Muskelfasern befindet sich ein nicht kontrahierbarer Teil. Dieser reagiert auf Spannung durch Dehnung mit einem Kontraktionssignal. Haben wir also die Grenze unserer Beweglichkeit an dieser Stelle erreicht, wird unser Muskel kontrahieren und keine weitere Bewegung zulassen. Die Spannung unserer Muskulatur lässt erst nach, wenn auch die Spannung im Kern der Muskelspindeln nachlässt.

Die Empfindlichkeit der Muskelspindeln in steuerbar

Die Propriorezeptoren besitzen üblicherweise nur eine Kommunikationsrichtung. Vom Rezeptor zum Nervensystem. Das nennt man übrigens eine afferente Versorgung. Die Muskelspindeln können aber auch efferent versorgt werden. Das bedeutet, dass es zwei Kommunikationswege gibt. Man kann sich das ein wenig, wie den Unterschied vom Radio zum Telefon vorstellen. Das bedeutet für die Muskelspindeln, dass unser Nervensystem Einfluss auf die Empfindlichkeit der Muskelspindeln nehmen kann. So lässt sich auch erklären, warum durch häufiges Einnehmen einer Position und einem Gewöhnen durch Dehnen der Dehnungsreflex später einsetzt. Unbewusst wird durch die regelmäßige Nutzung maximaler Bewegungsradien die Sensibilität der Muskelspindeln heruntergefahren.

Muskelfaszien

Muskelfaszien sind sozusagen die Hülle eines Muskels. Lange Zeit wurden Sie auch eben bloß als diese Hülle abgetan, bis man zu dem Entschluss kam, dass Faszien doch eine ganz entscheidende Bedeutung für unserer Bewegung haben. Denn sie sind nicht nur die einfache Hülle eines Muskels, sondern durchziehen in einem komplexen Geflecht unseren ganzen Körper.

Die Hauptaufgabe der Faszien ist es, die einzelnen Muskeln in ihrer Funktion voneinander zu trennen, sodass sie sich gegenseitig nicht behindern.  Faszien haben aber auch eine besondere Bedeutung für die Beweglichkeit. Darauf wird in einem speziellen Artikel dieser Artikelserie besonders eingegangen.

Aktive Elemente des Muskels – Sarkomere

Ein Sarkomer ist der kleinste funktionelle Teil unserer Muskulatur. Viele von ihnen hintereinander bilden Myofibrillen, welche letzen Endes unsere Muskelfasern bilden. In unseren Sarkomeren befinden sich Aktin und Z-Scheiben, sowie  Myosin und M-Scheiben. Diese Elemente sind für die Kontraktion verantwortlich. Unter Energieaufwand können sich diese Elemente ineinander verkeilen und das Sarkomer verkürzt sich. So entsteht eine Kontraktion. Je mehr Sarkomere hintereinander vorhanden sind, desto länger kann der Muskel werden. Das gilt auch für die Muskelfasern der Muskelspindeln. Ein wenig kann man sich das wie bei einer Spirale vorstellen. Jedes weitere Teil sorgt in der Grundstruktur zwar nicht für einen wirklich wahrnehmbaren Längenzuwachs, vergrößert aber das Potential. Ein wie weit eine solche Reihenschaltung von Sarkomeren Einfluss auf unsere Beweglichkeit hat, darauf geht auch ein weiterer Artikel dieser Artikelserie ein.

 




Beweglichkeit – Dehnen, Verkürzungen und funktionelles Training

Dies ist der Artikel Nr. 1 des Sport-Attack Beweglichkeitsspecials. Alle Artikel des Specials:

Einleitung/Vorwort

Beweglichkeit ist eine der großen motorischen Fähigkeiten des Sports. Unsere Beweglichkeit ist das, was unsere Mobilität im Alltag ausmacht, grazile Sportarten ästhetisch wirken lässt und uns hilft, unsere Leistung im Sport zu maximieren, indem wir den optimalen Bewegungsradius für die jeweilige Disziplin wählen.

In dieser Artikelserie soll das Thema Beweglichkeit aus allen Perspektiven ohne Scheuklappen betrachtet werden. Jeder Einzelne hat individuelle Ansprüche an seinen Körper und stellt ihn im Alltag oder im Sport vor die unterschiedlichsten Herausforderungen. Deshalb lässt sich schon jetzt sagen, dass es zum Schluss nicht zu einem eindeutigen Fazit mit Handlungsempfehlung kommen wird. Vielmehr wird jeder Einzelne die Chance haben, sich das heraus zu picken, was für ihn oder sie wichtig ist, um das eigene Training zu optimieren.

Worum wird es gehen?

Diese Artikelserie beschäftigt sich mit den folgenden Themen:

I: Grundlagen

Wie ist der Muskel aufgebaut? Was begrenzt die Beweglichkeit – welche Strukturen sorgen für die Begrenzung der Bewegungsamplitude eines Gelenks?

II: Aktive und passive Beweglichkeit

Wir müssen zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit unterscheiden. Wie weit können wir unser Gelenk bewusst unter willentlicher Kontraktion bewegen? Wie hoch ist der Unterschied zur passiven Beweglichkeit(Wie weit lässt sich unser Gelenk ohne Schädigung von Strukturen durch Kräfte von außen bewegen)? Und welche Folgen entstehen daraus?

III: Muskelverkürzungen und Reihenschaltung von Sarkomeren

Welche Arten von Unbeweglichkeit gibt es? Kann sich unser Muskel strukturell verlängern? Einschränkungen in der Beweglichkeit können viele Ursachen haben. So gibt es auch genauso viele Gegenmaßnahmen. Vom Dehnen über konzentrisches und exzentrisches Krafttraining gibt es die verschiedensten Methoden.

IV Die Bedeutung der Faszien

Faszien haben eine ungeheure Bedeutung für unsere Beweglichkeit. Lange Zeit wurde auf sie kein besonderes Augenmerk gelegt und sie galten nur als passive Hülle unserer Muskulatur.

V Methoden des Beweglichkeitstrainings und die Bedeutung für die verschiedensten Personengruppen

Ist es sinnvoll unser Nervensystem beim Dehnen auszutricksen? Welche Gefahren birgt das abtrainieren von Schmerzreizen? Stichwort PNF-Stretching. Macht das Sinn? Wenn ja, für wen und ins welchem Umfang? Gibt es eine Lösung für alle? Schaffen wir das Dehnen ganz ab und konzentrieren uns nur noch auf funktionelles Krafttraining? Was ist mit den Sportlern? Es gibt unzählige sportliche Disziplinen, die richtige Methode des Beweglichkeitstrainings für die richtige entsprechende Disziplin zu finden ist besonders wichtig.