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BCAA – Die Wirksamkeit als Supplement kritisch beleuchtet

BCAA gibt es als Supplement in verschiedensten Formen zu kaufen. Die einen bevorzugen BCAA Pulver im Getränk vor oder während des Trainings, andere setzen wiederum gerne auf Kapseln. Nahrungsergänzungsmittel sind für die Fitnessbranche jedoch ein riesengroßes Geschäft. Sie als Sportler möchten Ihr schwer verdientes Geld aber meistens dennoch so sinnvoll wie möglich ausgeben. Dieser Artikel soll Ihnen dabei helfen, die Wirksamkeit von BCAA als Supplement einschätzen zu können. Anschließend bleibt es Ihnen überlassen, ob Sie sich für oder gegen dieses Supplement entscheiden.

Was sind BCAA und erhoffte Wirkung

Aus verschiedenen Aminosäuren werden letzten Endes Proteine hergestellt. BCAA gehören zu denen, die unser Körper nicht selbst herstellen kann.

BCAA ist die  Abkürzung  für Branched Chain Amino Acid. Gemeint sind damit die essentiellen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Erweitert wird das Paket der BCAA oft gerne noch um die restlichen essentiellen Aminosäuren, die dann unter dem Namen EAA verkauft werden. Den Namen haben sie aufgrund ihrer verzweigten chemischen Struktur. Leucin, Isoleucin und Valin sind essentielle proteinogene Aminosäuren – das bedeutet, dass der Körper diese nicht aus Pyruvat (Ergebnis der Glykolyse) selbst herstellen kann. Außerdem werden viele Proteine aus diesen Bestandteilen zusammengesetzt – unter anderem auch unsere Muskulatur. Gerade in unserer Muskulatur sind verzweigkettige Aminosäuren die am häufigsten anzutreffenden Bausteine. Zusätzlich zeigt sich – zumindest im Reagenzglas – , dass speziell Leucin in der Lage ist, Muskelwachstum gezielt zu stimulieren. Das ist eine Wirkung, die über die reine Verfügbarkeit von Bausteinen hinaus geht. Deshalb setzen die Supplement Hersteller auch gezielt auf ein Verhältnis von 2:1:1. Manche setzen ohne einen wissenschaftlichen Hintergrund sogar noch auf eine wesentlich höhere Dosierung von Leucin – ob ein mehr an Leucin nach Erreichen eines Schwellenwertes aber überhaupt Vorteile bringt, wäre schon einmal grundsätzlich anzuzweifeln. Neben der Bausteinfunktion und dem Wachstumsstimulus erhoffen sich viele Sportler auch eine Muskelschutz-Funktion, wenn sie mit diesem Supplement und auf nüchternen Magen trainieren gehen. Die Idee dahinter ist, dass zumindest ein wenig Insulin (anabole Wirkung) zur Verfügung gestellt wird und die Ermüdung eventuell verzögert werden kann, die beim gefasteten Training erwartungsgemäß schneller eintritt (mehr).

Insgesamt sieht man, welche Bandbreite an Wirkungen BCAA theoretisch abdecken sollen und welche Erwartungen Sportler mit der Einnahme verbinden – doch wie sieht es tatsächlich aus?

Muskelaufbau und Muskelschutz

Das, was wir als Muskelaufbau verstehen ist letzten Endes eine Erhöhung der Anzahl der Proteine in den Muskelzellen. Die sogenannten myfibrillären Proteine (Actin, Myosin, Troponin) sind dafür verantwortlich, dass unser Muskel in der Lage ist, zu kontrahieren. So ist nur logisch, dass mit mehr Proteinen auch mehr Kraft entstehen kann. Die Anzahl der Muskelzellen an sich verändert sich übrigens üblicherweise nicht. Wie bereits erwähnt liefern BCAA nicht nur die Baustoffe, sondern scheinen auch Signalwege zu beeinflussen, die anabole Prozesse auslösen. Ein Nachweis einer tatsächlich folgenden gesteigerten Synthese von Proteinen in der Muskulatur konnte bei reiner BCAA Einnahme jedoch meist  nicht sicher nachgewiesen werden (American Journal of Physiology Endocrinoolgy and Metabolism, 2004, Nr. 287). Für das Zustandekommen der Proteinbiosynthese müssen demnach wesentlich mehr verschiedene Aminosäuren im Blut verfügbar sein. – Eigentlich einleuchtend, schließlich besteht ein solches Protein nicht nur aus diesen drei verschiedenen Aminosäuren. Auch zeigen Untersuchungen über die kombinierte Einnahme verschiedener Nährstoffe, dass der erwartete Muskelaufbau stimulierende Effekt von Leucin bei ausreichender Versorgung mit Eiweiß und Kohlenhydraten nicht messbar ist (American Journal of Physiology Endocrinoolgy and Metabolism, 2005, Nr. 288). Das bedeutet, dass durch die ausreichende Nährstoffversorgung bereits ein Plateau erreicht ist, das nicht mehr durch einen weiteren Stimulus überschritten werden kann. Eine zusätzliche Einnahme von BCAA oder Leucin im Einzelnen wäre also nur verschwendetes Geld. Tatsächlich zeigt sich, dass der Gesamtstimulus sogar der Einnahme von Molkeprotein (Whey)  unterlegen ist  (The Journal of Physiology, 2012). Das einzige, was sich zeigt ist, dass eine Unterversorgung an BCAA durch die Einnahme des Supplements ausgeglichen werden kann. Unter einem Mangel könnten unter Umständen einige Raucher leiden. So zeigte zumindest ein Laborexperiment an Ratten, dass die zusätzliche BCAA Einnahme eventuellen Muskelverlust durch den rauchbedingten zu geringen BCAA Spiegel ausgleichen kann (mehr). Dennoch darf deshalb nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass gefastetes Training mit BCAA zum Muskelschutz führt. Insgesamt ist dabei stets eine Minderversorgung zu erwarten, die BCAA nicht ausgleichen können – viel sinnvoller wäre hier ein normales Eiweißsupplement oder noch viel besser: Eine richtige Mahlzeit. (Mehr zum gefasteten Training). Übrigens: Die empfohlene (Mindest-) Tagesmenge an Leucin liegt bei etwa 45 mg. Es ist tatsächlich schwer, diese Menge nicht zu erreichen. 100 Gramm Thunfisch haben bereits ca. das 20-fache dieser Dosis. Eine einfache proteinreiche Ernährung bietet also ganz ohne darauf zu achten mehr als ausreichend BCAA.

Interessanterweise gibt es auch einige wenige Studien, die eine Wirksamkeit ermitteln können. 2016 erschien dieser Artikel, der eine stärke Wirksamkeit von BCAA in Kraft und Gewichtszunahme im Gegensatz zum reinen Einsatz von Proteinshakes herausstellt. Zu bedenken gilt aber, dass diese Studie nur 12 Personen pro Gruppe untersuchte.

Eine schnellere Erholung kann zu häufigeren und intensivieren Trainings führen – immerhin diesen Aspekt scheinen BCAA TEILWEISE beeinflussen zur können. So zeigen diese und diese Studie positive Auswirkungen auf die Regeneration, gleichzeitig zeigt aber wieder eine andere Studie, dass speziell Muskelkater nicht beeinflusst wird.

Fettabbau

Eine Studie aus dem  International Journal of Sports & Medicine von 1997 (Nr. 18) zeigt, dass eine zusätzliche Einnahme von BCAA bei einem Kaloriendefizit scheinbar die Gewichtsabnahme beschleunigen kann. In der Theorie ließe sich das durch den Muskelschutz den damit verbundenen erhöhten Stoffwechsel erklären. Tatsächlich haben die BCAA Konsumenten jedoch auch genau soviel Muskelmasse verloren, wie die Kontrollgruppe.

Fazit

Bei einem Preis für eine Dose BCAA von 25-30 Euro gibt es wahrscheinlich eine ganze Reihe sinnvollere Supplemente und vor allem natürliche Lebensmittel – zum Beispiel den Wocheneinkauf für einen Singlehaushalt. Zumindest sind keine negativen Wirkungen durch die Einnahme von BCAA bekannt, sodass Sie sich zumindest nicht schaden.